caricatura-Museum, Frankfurt Main, 30.5.2010
Sie zeichnete für die Stunde und für ganz viele Gutmenschen, ihre Blätter tragen unsichtbare Verfallsdaten, sie sind mehr desselben. In den letzten Jahren, in autobiografischen Einheiten äußert sie sich geistreich, aber doch banal – eben als Zeitzeugin.
Erholung von sich aufbauendem Frust erst bei F.K. Waechter im ersten Stock – übrigens vor den Leihgaben eines anderen Museums. Es nicht der sattsam bekannte, mit historischem Alltagstrott und –streit, sondern Grundkonflikten, der Absurdität des Lebens in Zeichen, Gesten, die Essenz destilliert oder gar sublimiert, mit Bilanzen kurz wie ein Schulterzucken. Nicht bloß : nur das Beste (Was sollte das sein?), sondern: sein letztes Wort (zu Lebzeiten).
Und vielleicht noch wichtiger für mich ist der gültige Strich: Sie hat nicht den Mut dazu, bloß in Vorskizzen; ihre großen „Bilder“ werden auch kein Bild, sondern Tapisserien, Collagen, Panoramen mit Applikationen. Sie muss Figuren schon ausschneiden und in den Raum stellen, um ihnen Luft zu atmen zu geben.
Ich denke an die Wirkung von Daumier-Karikaturen, die einen nicht gleichgültig lassen, auch wenn man Anlass und Pointen nicht mehr versteht.
Becker nennt dieselben illustren Vorbilder wie es Waechter, Gernhardt u.Co. tun, aber die waren nicht so geschwätzig. Und Beckers Lebensthema spießt Poth auf einem Blatt (natürlich seitenverkehrt aus männlicher Perspektive) auf: die Emanzipation der Frau (von Goethen nach Berlin).
Wenn ich mich in einer Ausstellung bewege, ist mir die Aufforderung lästig, andauernd lineare Texte zu lesen. Das geht im Buch, sogar im Filmfeature problemlos, wo die Reihenfolge festgelegt ist. Ein Bildbuch könnte man jedoch auch durchblättern wie die neuen interaktiven Medien.
Zwanzigtausend €uro kosten allein Strom, Heizung und Wasser für dieses Museum pro Jahr. Wie lange wird man sich den Luxus so elitärer Ausstellungsstätten noch leisten, wo man endlich an allen Ecken welche errichtet hat?
Die eigene Achillesferse spüre ich in Beckers engem Zeitbezug, ihrem der Zeit verhaftet Sein, dem Reagieren, der Kritik als parasitärer Kreativität. Ambivalenz spüre ich besonders stark bei ihrer „Asterix“-Parodie, die voller geschickter Umsetzungen ist. Trotzdem und gerade deshalb.
Zwei Stunden Karikaturen zu sehen, verursacht mir einen lästigen Reiz, ohne dass ich jemals befreit lachen kann.
Franziska Becker hat Wiedererkennungswert, Nostalgiewert, hat eine persönliche Marke kreiert, ein Markenprodukt (brand). Was könnte sie sich daran patentieren lassen, als Warenzeichen, als Muster schützen lassen, so etwa wie Nikis „Nanas“ oder Picassos „Friedenstaube“? Sicher nicht den unfreien Strich in den Ausarbeitungen! Sie hat mit ihrem Stil keine unwiederholbaren Blätter (wie Gedichte) geschaffen, so wie von F. K. Waechter oder Robert Gernhardt in der Dauer-Ausstellung über ihrem Kopf ein paar gezeigt werden.