Bikini – Atomares Testgebiet im Pazifik/ WAT380-Taschenbuch, Berlin 2000 / Meine Kunden-Rezension bei Amazon 20.10.2013
Dies ist eine Neuausgabe ohne das ĂŒbrige Autorenkollektiv der achtziger Jahre. Es geht um die amerikanischen Atombombenversuche zu Beginn des Kalten Krieges auf den Marshallinseln und die Verarbeitung der damit verbundenen traumatischen Erfahrungen durch die Bewohner, die trotz KompensationsmaĂnahmen zu Opfern wurden. Der zeitgeschichtliche Teil liest sich sĂŒffig, der ethnologische fordert geduldiges Nachvollziehen von Mythen und fachspezifischen Symboldeutungen bis zur Stelle, wo der Autor mit dem Hinweis umsteuert, dass die Zuschauer der jĂ€hrlichen Feiern auf den Inseln selber ânicht gehalten waren, in den Darbietungen nach tiefen Bedeutungen zu suchenâ.
Auch in unserer Epoche âwunderbarer Vermehrung der Bilderâ ĂŒberlagern sich traditionelle Metaphern mit allen möglichen anderen. Fritz Kramer praktiziert in âBikiniâ vergleichende Mythenforschung mit dem Ergebnis: âDie List der Mythen besteht gerade darin, Tod und SexualitĂ€t als ein einziges VerhĂ€ngnis darzustellenâ. Und – anlĂ€sslich âder tĂ€uschenden Gestalt der GabenbehĂ€lterâ (etwa der BĂŒchse der Pandora): âDie Menschen wĂ€hlen das, was sie tatsĂ€chlich habenâ (86). Ăber die Insulaner sagt er: Den rationalen Hintergrund moderner Technologien konnten sie nicht kennen, fĂŒgt aber an: Auf einen epochalen Gegensatz zwischen dem mythischen Denken einer traditionellen Kultur und moderner RationalitĂ€t darf man nicht schlieĂen (94). Als Leser denke ich an die Situation des von der globalen Konsumwelt âbeschenktenâ modernen Menschen: Er denkt unhistorisch, pflegt die âCargo-Kultâ-Einstellung (Gaben der AuĂenwelt), ist kaum an ihrer rationalen Analyse interessiert, sondern vor allem an sozialer Orientierung, an fremder und der eigenen Performance, an der Möglichkeit zum Ausagieren spontaner Regungen und am Genuss. So wie Menschen aus traditionellen Gesellschaften fremde Elemente, nach ihrer Logik ihrem Denken assimilieren, so tun es wir es auch. Der Autor geht auf die Bereiche: Labor, Cockpit, Werbung, Kino, Politik und Kunst ein, sowie die damit verknĂŒpften mythologischen Assoziationen.
Am Ende des kleinen, aber sehr dichten Buches sieht Fritz Kramer in Yves Kleins faszinierenden blauen Schatten den âĂbermut der Jugend zu allen Zeitenâ.