Fritz Kramer: Bikini (1946 – 2000)

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Bikini – Atomares Testgebiet im Pazifik/ WAT380-Taschenbuch, Berlin 2000 / Meine Kunden-Rezension bei Amazon 20.10.2013

Dies ist eine Neuausgabe ohne das übrige Autorenkollektiv der achtziger Jahre. Es geht um die amerikanischen Atombombenversuche zu Beginn des Kalten Krieges auf den Marshallinseln und die Verarbeitung der damit verbundenen traumatischen Erfahrungen durch die Bewohner, die trotz Kompensationsmaßnahmen zu Opfern wurden. Der zeitgeschichtliche Teil liest sich süffig, der ethnologische fordert geduldiges Nachvollziehen von Mythen und fachspezifischen Symboldeutungen bis zur Stelle, wo der Autor mit dem Hinweis umsteuert, dass die Zuschauer der jährlichen Feiern auf den Inseln selber „nicht gehalten waren, in den Darbietungen nach tiefen Bedeutungen zu suchen“.

Auch in unserer Epoche ‚wunderbarer Vermehrung der Bilder’ überlagern sich traditionelle Metaphern mit allen möglichen anderen. Fritz Kramer praktiziert in „Bikini“ vergleichende Mythenforschung mit dem Ergebnis: „Die List der Mythen besteht gerade darin, Tod und Sexualität als ein einziges Verhängnis darzustellen“. Und – anlässlich „der täuschenden Gestalt der Gabenbehälter“ (etwa der Büchse der Pandora): „Die Menschen wählen das, was sie tatsächlich haben“ (86). Über die Insulaner sagt er: Den rationalen Hintergrund moderner Technologien konnten sie nicht kennen, fügt aber an: Auf einen epochalen Gegensatz zwischen dem mythischen Denken einer traditionellen Kultur und moderner Rationalität darf man nicht schließen (94). Als Leser denke ich an die Situation des von der globalen Konsumwelt ‚beschenkten’ modernen Menschen: Er denkt unhistorisch, pflegt die „Cargo-Kult“-Einstellung (Gaben der Außenwelt), ist kaum an ihrer rationalen Analyse interessiert, sondern vor allem an sozialer Orientierung, an fremder und der eigenen Performance, an der Möglichkeit zum Ausagieren spontaner Regungen und am Genuss. So wie Menschen aus traditionellen Gesellschaften fremde Elemente, nach ihrer Logik ihrem Denken assimilieren, so tun es wir es auch. Der Autor geht auf die Bereiche: Labor, Cockpit, Werbung, Kino, Politik und Kunst ein, sowie die damit verknüpften mythologischen Assoziationen.

Am Ende des kleinen, aber sehr dichten Buches sieht Fritz Kramer in Yves Kleins faszinierenden blauen Schatten den “Übermut der Jugend zu allen Zeiten“.

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