Sich wohnlich einrichten in Ruinen

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Mich wohnlich einrichten in Vilém Flussers “Ruinen”

So wie er Ruinen in „Häuser bauen“ beschreibt, sind sie tauglich für ein Leben in Provisorien und im Takt von Updates! Und wohnen kann man auch in ihnen, immer noch besser als  auf Koffern in Hotelzimmern. Zudem haben Menschen immer wieder in Ruinen gewohnt. Was sind denn Ruinen abseits des Klischees?

Sobald ich meinen Wirkungskreis verlasse, wird der zur Ruine! Flusser beschreibt die Ruine eines fest gefügten patriarchalischen Hauses voller Misstrauen gegenüber den Nachbarn, gegen die Herrschaft und die Untergebenen, die man ebenso als Häftlinge im Blick behielt. Die Ruinen Roms sind nicht zu beweinen, so wenig wie unsere es einmal sein werden. „Brot und Spiele“ lohnen doch keine einzige Träne.  Was wurde aus Burgen und Zwingmauern anderes als Stoff für neue Häuser? Also, es lebe die Ruine! Wenn sie nicht auf dem neuesten Stand ist, umso besser.

Sollten wir wirklich, wie Flusser vorschlägt, den revolutionären Architekten trauen? Mit Niemeyers Brasilia war er nicht zufrieden, der übrigens nachher selber nicht! Ebenso ging es der Frankfurter Städtebau-Legende Ernst May. Dessen Problem hat sich übrigens wie von selbst erledigt. Die Leute hängten Gardinen auf, verstellten die Durchreiche. Inzwischen  gehen sie zu Bauhaus und Praktiker. Die legendären Architekten im Reich der Bolschewisten wollten den Leuten die Küchen wegnehmen zugunsten einer Kantine. Also kochte man im Schlafzimmer. Weiß der Himmel, was die deutschen Urbanisten heute in China anrichten. Ein Zeichenbrett garantiert noch nicht die Erleuchtung.

Ständig erfahren wir von Katastrophen, die Häuser demolieren. Da sie nicht wirklich durch neue, geschweige denn bessere ersetzt werden, werden Ruinen zur Normalität. Wenn wir dann im Auto herumirren, ist es die Schuld des schon wieder unaktuellen Navigationsprogramms, aber ist das wichtig? Die Welt ist voller Landschaften, die wir nur entdecken, wenn wir aus der Spur geraten. Und überdies ist sogar zeitweise Entschleunigung im Trend. Und wer weiß schon, ob wir uns nicht bewusst chaotisch geben?

Nun werden – wie er an anderer Stelle schrieb – gebaute Dinge den Menschen im Zeitalter der „technischen Bilder“ und der „Undinge“ ohnehin immer unwichtiger, ihre Materialien immer billiger. Sie  kreisen in einem grenzenlosen „Recycling“. Seine Warnung war also wohl ein rhetorischer Kniff, uns aufzuschrecken und mit den Mitteln der guten alten Utopie zu locken.

Warum sollte man ihr nachlaufen? Die Eliten sind keineswegs blind. Sie wissen das Bewährte zu schätzen, so wie in manchen Schwarzenegger- und Stallone-Filmen die Protagonisten eigentlich ausgemusterte Modelle sind, die man reaktiviert.

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