‚A Conservator’s View of African Sculpture’ und der gewöhnliche Sammler

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Zum Beitrag von Leslie Bone: On and Below the Surface – A Conservator’s View of African Sculpture in Masterworks of African Figurative Sculpture, Embodiments (The Richard H. Scheller Collection) , Fine Arts Museum of San Francisco 2015

Eine Kundin hat meiner  Restauratorin einen interessanten Artikel mitgebracht. Der demonstriert höchstes Anspruchsniveau, qualitativ und finanziell. Mit Blick auf bedeutende Museen oder Sammlungen, deren Marktwert inzwischen in die –zig Millionen geht. Ein wenig Surfen zeigt, dass das genau bei der Richard H. Scheller Collection der Fall ist. Ein Interview mit dem Tribal Art Magazine (unter: people_188) war voller spaßiger Details zu den Sorgen der Reichen.
Was macht die Lektüre mit einem bescheidenen Sammler? In einer kleinen Bankenmetropole, dessen Museumsufer neuerdings zwar über ein Röntgengerät verfügt, dem aber schon über Monate das passende Computerprogramm fehlt? Der zuweilen träumt, er hätte private Beziehungen zu einem Krankenhaus (CT/MRT)?

Er ist eingeschüchtert. Dabei betrifft der Artikel seine eigenen Objekte kaum: Gebrauchsgegenstände und soweit es Kultfiguren und Masken sind, solche aus dem zwanzigsten Jahrhundert. ‘Wichtige’ Stücke for powerful ritual endeavors für ganze communities sind nicht darunter. Dafür hat er gar nicht das Geld.

Bone’s einsichtsvolle Formulierung the lost pasts of such sculptures (283) freut ihn aber, schon weil das für fast alles gilt, was auf dem Markt ist.

Ebenso gefallen ihm die deutlichen Worte über hartnäckige schlechte Angewohnheiten auf der europäischen und amerikanischen Seite, nicht nur in der Vergangenheit, die von den Galerien in Paris und Brüssel ihren Anfang nahmen und bis heute den herrschenden Geschmack prägen: Many sculptures including some in this collection, later were transformed by collectors and by subsequent owners. (284)

For example, in the early twentieth century, French dealers of African art immersed wooden carves in shellac – a raisin …. Such post-collection shellac can be detected by shining UV light … (286)

Leslie Bone Symposium FAMSF 2011

Leslie Bone at Symposium FAMSF 2011

Leslie Bone ist eine spezialisierte Expertin im Gefolge des Sammlers R.H. Scheller weit außerhalb unserer Reichweite. Sie arbeitete für einen mit seiner DNA-Firma sehr reich gewordenen Naturwissenschaftler, der wie ein Barockfürst nach Belieben über die nötigen Mittel verfügt und ihr den Zugang zu den letzten Errungenschaften der Analysetechnik (etwa DNA-Analyse des Holzes) verschaffen konnte. (287 ff.) Dabei gibt er sich im Interview immer noch als der nette Junge, der mit Großwildjagd/Safaris in Afrikas begonnen hat und inzwischen seiner Schar von Galeristen den Auftrag gibt, von allen Kulturen des alten Afrika südlich der Sahara das Beste aufzutreiben. Das Beste. Von allen.

An ausgewählten Beispielen der Sammlung illustriert Bone konservatorische Einsichten, klar gegliedert nach beiden Phasen im Leben gesammelter afrikanischer Objekte:

Oberflächen (surfaces):

Aspekte der Farbe: Color Pigmente und Dyes, Lacke,

Gebrauchsspuren traces left by Rituals (Doch nicht allein!)

Schichten Layers, Post-Collection Addition and Subtraction of Layers,

Abnutzung und Restoration Techniques, Wear, Native Repairs, Dating, und schließlich das weite Feld des Innenlebens (interiors) von der Bestimmung des Holzes zu Hohlräumen und eingesetzten oder eingearbeiteten Materialien.

Fälschungen und Verfälschungen des wertvollen Objekts – oszillierend zwischen Weltkulturerbe und Vermögensanlage – können ausgeschlossen werden? Kriminologisch ist jedenfalls mehr nicht zu machen.

Lesley Bone räumt auch der Visual Examination of Surfaces durch individuals who have observed many objects of a similar type and form (284) eine Rolle ein. Die Begründung in technologischem Newspeak empfinde ich als gewöhnungsbedürftig: …as the database they have stored away in their brains can immediately tell them if what they see strays from the norm of an object type, or if a certain material is inconsistent with those they have usually seen …..

Wenn nur die Realität menschlicher Kreativität wenigstens in früheren Zeiten den Forschern den Gefallen getan hätte, sich strikt an Normen zu halten! So viel nützlicher als die Witterung trainierter Hunde ist die Intuition der Experten auch nicht. Beide liefern die besten Ergebnisse bei einfachen Fällen wie: … or looks too new or if its colour seems unusual. (284) Indizien bleiben Indizien angesichts einer ‚verlorenen Vergangenheit solcher Skulpturen’ und der zugehörigen Menschen.

Gehen uns derartige Kataloge etwas an? Bringen sie Sammler weiter? Drängen sie uns nicht immer tiefer in die Arme von Experten und Autoritäten, die wir überhaupt nicht kontrollieren können? Der Sammler Scheller gibt sich im Interview als verwöhntes Kind, das sich unter der Rubrik people oder als Stifter bewundern lässt. Und dahinter steht – auch das in der Tradition des Barock – ein boomender Geschäftszweig.

Was wir dann immer noch nicht wissen, und das ist eine Menge, muss mit traditionellen Untersuchungsansätzen annäherungsweise angegangen werden. Doch hier sollte ich den Blick umkehren: Die naturwissenschaftlich ermittelten Indizien, von denen Leslie Bone spricht, erlauben es schließlich Kunst- und Kulturwissenschaftlern, neue Fragen oder präzisiere Fragen  an die alten Objekte  stellen.

Immer wieder spukt in meinem Kopf der Beute-Gedanke: Walter Benjamin meinte solche Kulturgüter, als er in den Geschichtsphilosophischen Thesen klagte,  ‘Kulturgüter’ würden die ‘Beute’ der jeweils Herrschenden.  Doch sind diese Leute nicht vielleicht die legitimen Erben? Womit wurde denn ‘höfische Kunst’ vormoderner Despotien finanziert?