Mit Figuren der Lega im Sinkflug

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Was ist das Geheimnis des Erfolgs derart anämischer Kunst? Ist Lega nur eine Legende des Kunstmarktes?

Maske aus Katalog L'Art des Lega' am Quai Branly 2013-14

Maske aus Katalog L’Art des Lega’ am Quai Branly 2013-14

Ich hatte dabei immer einen Generalverdacht im Hinterkopf: die problemlose Fälschung. Erst später überwog mein Befremden über einen derartigen Stil in Afrika. Wir wissen doch, was der sich schuldig ist: vitale Lebendigkeit,  Africanness (R.F.Thompson)! Die blassen Handschmeichler kann man durchaus mit dem Klischee des bebrillten  Klassenprimus belegen! Nun, bei genauerem Hinsehen gibt es ja einiges zu entdecken!  Es liegt auch an einem selbst!

Jetzt erst finde ich auf dem Markt nach Azande, Jonga, Metoko und Mbole starke, ja sogar deftige Lega-Figuren, die Sprichwörter und Lebensweisheiten verkörpern sollen, etwa den Schlafmatten-Typen, der Trägheit und sexuelle Laxheit vertritt. Wie weit er bereits herunter gekommen ist, sollen die grob gebohrten Löcher im brettartigen Körper zeigen. Die Figuren am Marktstand an der Mainbrücke sind stark und frei. W. behauptet, gerade erst den Osten des Kongo, seine weitere Heimat, bereist zu haben. Bei seinem ungewohnt reichen Angebot bodenständiger guter Skulpturen – mindestens einem Dutzend – glaube ich ihm vielleicht. Ihr Holz ist äußerst leicht. Ist das nicht ein Familienausweis? Eine ‚klassische’ etwas depressiv wirkende Handmaske ist sogar auch dabei. Meine ‚technische Prüfung’ und Klaus’ ästhetische Begutachtung (aufgrund von Fotos) hat sie bestanden.  Ich bin im übrigen gespannt auf den Katalog von Elisabeth Cameron bei Branly!

So schrieb ich am 1.2.2015. Inzwischen habe ich zwei kleine Figuren erworben und das bisher nicht bereut.

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Daniel P.Biebuyck schrieb 1976 einen lebendigen und bei aller Kürze differenzierten  Beitrag über die Lega im Osten des Kongo und zu den Fragen, in dem quadratischen Reader  Ethnic and Tourist Arts – Cultural Expressions from the Fourth World (Nelson H. H. Graburn, editor / University of California Press, paperback edition 1969, pp.334-349). Ich drucke unten das letzte Drittel ab und und beginne damit auf S. 345 mitten im Kapitel External Influences. (Durch Anklicken vergrößern!)

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12.3./22.5.2015           Läuterung durch Erläuterung?

In diesem Bild eines zerstörerischen Jahrhunderts im Kongo kann ich auch meine Objekte irgendwo verorten. Biebuyck zeigt – als Beispiele des Niedergangs – Dinge, die er von respektablen Menschen geschenkt bekommen hat.

Wir können daraus unsere Schlüsse ziehen. Hier wird nicht eingeordnet. Das Wissen, das wir erhalten, betrifft Umstände, Umgebung und Entstehungsbedingungen von Skulpturen. In der Mitte bleibt ein Raum frei. Feldfotos und ein paar in den fünfziger Jahren dokumentierte Stücke möblieren ihn karg.

Der Verfasser hat Hunderte Stücke vor Ort und im Magazin gesehen. Von seinem Erfahrungsschatz teilt er uns so viel mit, wie in einer halben Stunde, wie auf fünfzehn Druckseiten möglich ist. Hauptsächlich allgemeine Einsichten. So macht es schon einen Unterschied, ob wir uns einem Demonstrationsobjekt und Statusobjekt innerhalb eines festgelegten Rahmens (Bwami-Gesellschaften) oder einem Kraftobjekt, einem Fetisch gegenüber sehen, obwohl dazwischen keine klare Grenzziehung möglich ist.

Es macht auch einen Unterschied, zu wissen, dass sich traditionell keiner groß um die Schnitzer gekümmert hat und jenseits von konventionellen Qualitätsstufen die Ästhetik für die Besitzer weniger wichtig war als die Provenienz früherer Besitzer – und die durch sie akkumulierte Aura. Materielle Erfordernisse – etwa die Erreichbarkeit von Elfenbein – wurden pragmatisch angepasst. Also entspannen und die Erwartungen niedrig hängen!

Es ist von ästhetischen Standards der Lega die Rede –  Harmonie und Glätte, aber auch von einer Ästhetik der Hässlichkeit – und dann vor allem von einer großen Palette von Aphorismen, denen die Figuren ursprünglich zugeordnet wurden, sowie unterschiedlichen Verwendungen. Das Bestreben der lokalen Vereinigungen,  kleine Unterschiede zu generieren, trägt zur Unübersichtlichkeit des Bedeutungsfeldes bei. Eindimensionale Erklärungen können wir vergessen.

Wo ordnet der Sammler nun seine eigenen Vorlieben und seine Objekte ein? Natürlich möchte er kein deklassiertes Stück. Dabei entsteht aber sofort die Frage: nach einem aktualisiertem Lega-Maßstab oder nach Daniel Biebuyk? Die Wahrnehmung einer spezifischen Aura ist ohnehin eine persönliche Angelegenheit. Als historisch aufgeklärter Sammler mache ich das alles nicht einfach an meinen spontanen Vorlieben fest. Wenn Biebuyck daran erinnert, dass auch in der vorkolonialen Zeit ästhetisch mangelhafte Skulpturen entstanden, ist meine Urteilsfähigkeit gefragt. Da war nicht alles spirituell verfeinert. Ich denke sofort an die langweiligen, wohl auch einfallslosen Masken mit leeren Gesichtern, bei denen mir Authentizität und Alter egal sind. Auf ein paar Feldfotos sind die Gestelle zu sehen, auf denen solch kleine Masken befestigt sind. Display  steht im Text. Initiierte Männer stellen sie bei ihren Versammlungen hinter ihrem Sitzplatz auf. Figuren haben sie vor sich auf die Erde gestellt, vielleicht auch nur für das Foto des Ethnographen. Die repräsentieren den Status ihres Eigentümers. Nicht gerade aufregend! Statussymbole hatten noch nie meine Sympathie. Eher harmlos, wenn sie nur aus Holz oder edlem Horn sind.

3 Gedanken zu „Mit Figuren der Lega im Sinkflug

  1. hartmut brie

    am Marktstand an der Mainbrücke “Lega” zu kaufen und sie dann zuzuordnen, halte ich nicht für sinnvoll.
    Biebuyck und Felix haben zu diesem Thema schon Genaueres gesagt.
    Angeblich wurde die Bwami Gesellschaft vor dem 2. Weltkrieg verboten.
    Die Bwami Rangabzeichen wurden allerdings von Vater auf Sohn und auch durch veränderte Aufnahmeriten weiterhin sichtbar getragen bei Zeremonien.
    Ich war in den 70er Jahren in der DRKongo und hatte das Glück, mit einem Lehrer zusammen zu arbeiten, der zuvor jahrelang bei den Lega unterrichtete.
    Seine durchwachsene Sammlung habe ich bis heute, wobei ich sagen muss, dass der Lehrer/Käufer beim Einsammeln der Figuren andere ästhetische Kriterien hatte als ich.
    Nur durch jahrelang aufgebautes Vertrauen erhielt er(über seine Schüler?) einige Stücke…
    Die Lega im Branly sind qualitativ hochwertig, die im Museum Dapper mindestens genau so gut.
    Zu Ihrem Text: ob Statussymbole eher harmlos sind, ist Ihre Meinung..
    Ihr Sammlerurteil ist etwas unorthodox, aber unbeschwert ansprechend.
    MfG
    H.Brie

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      1. dvg Beitragsautor

        28. Sept. 2017
        Gehen sie auf Brie’s Seite http://http://www.afrikanischekunst.info/! Die Elfenbein-Miniaturen sind ein Erlebnis!

        Meinem ersten Beitrag vor zwei Jahren ließ Herr Brie – was immer noch eine Seltenheit ist – eine Beurteilung angedeihen, ein wenig gönnerhaft, aber freundlich.
        Gehen Sie auf seine Seite, klicken Sie die Objekte einzeln an. Brie verbietet ausdrücklich die Weiterverbreitung auf „privaten Webseiten“. Ich will ihn nicht verärgern.

        Als ich über zwei Jahre später den von mir damals gesetzten Link an seinem Kommentar benutze, gerate ich in eine andere Welt, auch dank perfekter Lichtregie. Es ist die der Elfenbeinminiaturen der Lega, vielleicht sogar aus dem 19. Jahrhundert. Ein Entwicklungshelfer konnte sie vor Ort aus verschwiegenen Familienschätzen erwerben und verkaufte sie dem Sammler in den Sechziger Jahren. Eine erstklassige Investition, wunderbare Stücke – TOP AFRICAN ART OBJECTS – bei denen ich mich ehrlich wundere, dass sie nicht längst auf dem internationalen Kunstmarkt verschwunden sind.

        Für mich haben sie einen Pferdefuß auf anderer Ebene, aber ist es einer?
        „Gute alte Zeit“ assoziiere ich oder „hermetisch“ oder „vorgeschichtlich“ im Sinne einer lange untergegangenen Welt, so wie unsere wilhelminische Kaiserzeit. Bereits mehrere Trümmerschichten liegen darüber.
        Natürlich sehe ich auch ‚Idealisierung’ darin, das heißt vom banalen Leben abgehoben sein.
        Damals lagerten die Objekte in den Zentren dörflicher Macht, geschützt in Beuteln und Körben, profanen Blicken entzogen, von Wissenden gehütet. Heute werden sie im Tresor von Sammlern, Galerien und Museen aufbewahrt, meist ohne andere Perspektive als kurze Auftritte und neue Tresore, und von Unwissenden gesichert. Gehen sie mich etwas an?

        ‚Holz’ und 20. Jahrhundert sind bei der ‚Kunst der Lega’ üblicherweise, aber zu Unrecht unterbewertet.

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