Conrad v. Hötzendorf, Sozialdarwinist ?

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Unvermutete Wiederentdeckung meiner Seminararbeit vom Sommer 1966 am Institut für Zeitgeschichte in Wien

 Am 2015-02-06 00:46, schrieb Graeve, Detlev von: Sehr geehrter Herr Professor Kronenbitter, heute stoße ich zu meiner großen Überraschung auf die Erwähnung meiner Seminararbeit zu Conrad von Hötzendorf, die ich im Sommer 1966 als Gaststudent an der Universität Wien verfasst und  seither nicht mehr gelesen habe. Leider erlaubt Google-Books keinen Blick auf die Seiten 137 (und  561) von ‘Krieg im Frieden’. Die angezeigten Fußnoten machen mich aber neugierig, in welchem Sinne meine Arbeit Eingang in Ihre Habilitatonsschrift gefunden hat.

Es handelt sich um das Buch von Günther Kronenbitter.

”Krieg im Frieden”: Die Führung der k.u.k. Armee und die Großmachtpolitik Österreich-Ungarns 1906-1914. München: Oldenbourg Wissenschasverlag, 2003. 690 S. EUR 79.80 (cloth), ISBN 978-3-486- 56700-7.

 

Wer war Franz Conrad von Hötzendorf? Das sei kurz aus Wikipedia zitiert:

Franz (zuletzt Graf) Conrad von Hötzendorf (* 11. November 1852 in Penzing bei Wien; † 25. August 1925 in Mergentheim, Württemberg), war bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs, 1914, Chef des Generalstabes für die gesamte bewaffnete Macht Österreich-Ungarns, seit 1916 Feldmarschall. Conrad, der zuvor mehrmals vergeblich Präventivkriege der Monarchie gegen Italien und Serbien vorgeschlagen hatte, spielte eine wichtige Rolle in der Julikrise, die zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte.

Conrad hat also „ mehrmals vergeblich Präventivkriege der Monarchie gegen Italien und Serbien vorgeschlagen“ – Das klingt übel und hat Conrad zumindest nach 1945 einen schlechten Ruf eingebracht. Nun gehört auch der Sozialdarwinismus als Ideologie geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus zu den ausgemachten Schurken. Ich selber gewann 1966 beim Lesen in Conrads Erinnerungen und in seiner Privatbibliothek – in den Schränken des Wiener Kriegsarchivs – den Eindruck eines überraschend sympathischen und gar nicht doktrinären Menschen, der vielleicht bloß aus professionellem Verantwortungsgefühl zum Kriegstreiber (Titel der Rezension in der FAZ von Krieg im Frieden am 8.1.2004) wurde. Nicht zuletzt nahmen mich seine  Anstreichungen und Randnotizen in Büchern für ihn ein, in denen er geistige Orientierung suchte, anrührend! – Ich verließ Wien bereits zum nächsten Semester und vergaß das Thema.

‘Krieg im Frieden’ S.137:Kronenbitter_Fußnote-354

In der erbetenen Anmerkung auf S.317, die mir Günther Kronenbitter umgehend schickte, taucht ein aus meiner Sicht vielleicht aktuelleres Problem auf: die Vernichtung von Zusammenhängen in prominenten Nachlässen durch Rationalisierungsdruck in personell unterbesetzten und räumlich beengten Archiven und Bibliotheken. Ich will mich darüber nicht verbreiten, eher darauf in einem Einzelfall reagieren. Da meine damals nur mit einem Durchschlag getippte Seminararbeit zum ‚Zeitzeugen’ avanciert ist, stelle ich die 63 Seiten  als pdf ins Netz:       Seminararbeit-Wien_SS1966  

Eine handschriftliche Fortsetzung muss warten.

P.S.

Kurzer Hinweis auf das Porträt von Günther Haller in Die Presse, Wien, 08.03.2014, natürlich unter dem reißerischen Titel “Der Wiener Kriegstreiber>”. Er passt nicht zum facettenreichen Bild, das der Artikel entwirft. So wird ein Ruf von ‘den Medien’ gnadenlos zementiert. Trotzdem