11. – 24.10. 2002
Etwas geht zuende. Das verengt den Blick… Bemerkbar an verstohlenen Gedanken an eine Fortsetzung der Ausstellung anderswo, oder des Projekts, wie auch immer. Doch ich habe mit der Ausstellung und den Buchbeiträgen den mit der Sammlung übernommenen Auftrag erfüllt.
Auch didaktisch fühle ich mich allmählich ausgebrannt. Deshalb war ich zu Marie-Luises Text ungerecht.
Kein Neuaufguss im Gutenberg- oder einem Völkerkunde-Museum! Wenn schon, dann Marburg ( die Religiöse Malerei auf Taiwan ausstellten) oder Heidelberg, vielleicht in Kooperation mit einem volkskundlichen Forschungsinstitut wie dem von Wang Shu-cun in Peking! Attraktiv ist für mich nur noch: an Wissen aus erster Hand teilhaben und damit aus reicheren Quellen schöpfen.
Mit den verstohlenen Gedanken taucht die Idee auf, den China-Besuch vor dreißig Jahren wieder aufleben zu lassen, die Gruppe wieder zu versammeln. (Heidrun war nicht begeistert ). Oder einfach hinfliegen, und wenn es die modernisierte Hölle ist?
Auch die Kontakte des Landrats von … zur Zwangsverpflichtung zweier professioneller Maler wecken mein Interesse, denn es verspricht die Öffnung zweier Zugänge zugleich : meditative Tuschmalerei und ihr äußerstes Gegenteil: die Kulturrevolution. Beide Aspekte habe ich lange vor mir hergeschoben, bloß nicht abgehakt, wegen Wiegmann und wegen meiner maoistischen Selbsttäuschung. Doch hatte ich vor dreißig Jahren vielleicht ein lebendigeres Bild der chinesischen Zivilisation im 20. Jahrhundert als heute, weniger standardisiert, gefiltert, abgeklärt.
Neuerdings habe ich Ermutigung zu einem Neuanfang bei Sun Long-ji, bei der Autobiografie von Liu Bin-yan und beim Kauf der Lu Xun-Dokumentation erfahren.
Scheinbar Altbekanntes drängt nach erneuter Prüfung. Dabei bin ich kritischer geworden. Ich weiß heute einfach genauer, was ich nicht weiß und was ich brauchen könnte; jedenfalls keine schlichte Transponierung chinesischer Sinnes in westliche Entsprechungen oder eher Eselsbrücken, wie mir jüngst bei Lin Yutang begegnet. Es ist nicht das abstrakte Modell eines Daoismus, das mich interessieren kann, sondern das Alles durchdringende Muster und Netz, das die Gerüche Chinas ebenso wenig ausschließt wie seine Mythen, auch wenn zweifellos mehr und mehr davon sich in Jauche transformiert.
Evas innere Haltung und Beiträge zur Ausstellung führen mir die ungeheure Fülle im Reich der Zeichen vor Augen, und die sich daraus ergebende Alternative, mich entweder voll darauf einzulassen oder mich mehr oder weniger abzuwenden und künftig mit größter Vorsicht und Zurückhaltung dazu zu äußern.