Entdeckung der Abstraktion – Ist sie hier zu entdecken?

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IMG_3469Abstraktion   Notizen vom 26.12.07

Dass man um diese  Zeit schon so weit war“ – Wegen dieser zu erwartenden Aussage einer unbedarften Besucherin hätte ich die Ausstellung zur „Vorgeschichte der Abstrakten Kunst“ für das breite Publikum verboten. Es war zu spüren, wie da eigene frühe Kunstversuche und Erinnerungen an die Bastelkurse reaktiviert wurden. Dabei war es im Grunde ein seriöser spröder kunstgeschichtlicher Blick in die Unterwäsche der modernen Kunst, unter ihre aufgespreizten Reiferöcke, gut dokumentiert im Katalog. Bilanz des Augenscheins: Ganz überwiegend Kleksereien und nicht mehr. Die „Ausstellung“ entließ mich hungrig. Es gab lauter kleine Baustellen und  keinen gelungenen Bau zu sehen! Der ganze Jammer der „Moderne“!

 

Ein paar Ergebnisse im Notizbuch:

Das Material stammt aus den Ateliers, aus Künstlernachlässen, wurde kleinformatig – wie es war -zusammengekratzt. Es war aufgehoben worden, aber – z.B. bei Turner – als Arbeitsskizzen. Es handelte sich um lapidare Entwürfe, die das gegenständliche Ergebnis simulierten, „stenografische“ Notiz zum Einfangen einer ersten Bildidee, übrigens typisch westlich als individuell improvisierte Technik, nicht wie in China in einem stenografischen Code! (Malschulen)

Es gab auch das „Spiel mit dem Zufall“ zur Anregung der Vorstellungskraft, zur Entwicklung von Bildideen. So hatte schon Alex Cozem (* 1717) „blots“ (Flecken) zur freien Landschaftskomposition verwendet. Künstler gestalteten seine gedruckten Vorlagen dann unterschiedlich aus. Seit dem 17.Jh. analysierte man schon „Schönheit“ ; dabei dienten auch solche abstrakten Notizen, wiewohl Hogarth Schönheit in der „abstrakten linearen Form der Gegenstände“ fand.

In einem Buch aus dem 19.Jh. wurde z.B. „Turners Prinzip“ der „Licht- und Schattenverteilung“ und „Helldunkelkomposition“ in einem schematischen farbigen Litho (aus Flecken) den „Schemata“ anderer Künstler gegenübergestellt.

Freilich lebt in mancher abstrakten Skizze auch das uralte menschliche Vergnügen des Gehirns an Formen und Farben. Sie zeugt dann auch von einem intensiven, auf ein winziges Format konzentrierten Blick. die Ahnung eines ganz außergewöhnlichen Großen, wenn es denn zur Welt käme!

Der Poet Hugo kam über seine Reiseskizzen zu einem Spiel mit Materialien: Er drückte Spitzen auf Flecken ab. Als berühmter Außenseiter konnte er seine Spielereien auch irgendwo abdrucken, ansonsten fanden sie sich im Nachlass. Bemerkenswert fand ich nur die Komposition im Format 30×50: „Vollmond“ über einem abstrakten Strand. Hugo hatte eine typische Stimmung von Doré oder Turner  geschaffen.

Moreau hat, schon in der Dämmerung der Moderne, ein regelrechtes Doppelleben geführt: „Abseits der offiziellen Ausstellungen“ des erfolgreichen Akademie-Malers, der die mythologischen Themen zum wiederholten Male ausschlachtete, „entkoppelte“ er experimentell „Linie und Form“  und „wählte“ so manche Arbeit „für sein posthumes Museum aus“, mit direktem Blick auf die Nachwelt – Das ham wer gern!

Neben dem elitären „ästhetischen“ und kunstgeschichtlichen „Diskurs“ im 18. und 19. Jh. werden zwei ganz alte und populäre Traditionen dokumentiert: Eigentümliche Naturmaterialien wurden in der Geschichte magisch oder auch nur dekorativ gesehen: Die Verehrung z.B. von „Bildsteinen“ ist uralt. Namentlich hat sie im 16. Jh. Aldovandri (+1605) als „Wunder“ beschrieben. Ich muss auch an die ostasiatische Tradition der „Suiseki“ denken, worüber ich gerade ein gleichnamiges Buch erworben habe. Und Paesina-Sandstein hat man als „Landschaftsstein“ im 17.Jh. zu Bildern verarbeitet. Die Ausstellung zeigt zwei Beispiele. Vom Buchschmuck des 18.Jh.zeigt man marmorierte Vorsatzpapiere.  … Ein weites Feld!

Und dann kommt die Romantik mit „Klecksographien“. Wie oft hatte man dazu Tintenfässer umwerfen müssen, und mussten Schreibfedern Blätter verspritzen, bis daraus eine „Technik“ (klecksen und falten) wurde! Solche Flecken auszumalen ist gewiss eine anthroplogische Konstante! Kerner umspielt mit „Klecksographien“ scherzhaft 1857 Jakob Füsslis Nachtmahre. Ein Herr Rohrschach radikalisiert solche 1921 in seiner „Psychodiagnostik“.

„Kaffeeklexbilder – humoristische Handzeichnungen“ Lpz.1880 Hrsg.W.v.Kaulbach. – Der zeigt gönnerhaft wilhelminischen Humor, der sich so gut mit Diskriminierung verträgt.

Balzac und vor allem  G.Keller waren Entdeckungen in diesem Kontext, ebenso wie die Tatsache, dass sie sich auf Tendenzen der Kunst bezogen, die nur Bildungsmangel nicht vermutete.

Immer tauchen Fragen auf, die nicht rechtzeitig gestellt werden!  Ist dieses Revolution in den Bildenden Künsten im 20.Jh eine eigentlich literarische Revolution gewesen?

 

 

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