Dinge

|

 

Untersuchung an einem Gegenstand, der gegenwÀrtig mein Begehren weckt (und doch nicht erworben wird): Einer Machete im Halfter von den Naga (Konyak,Indien)

Frage: Was ist an Sammelobjekten Besonderes, dass sie solch eine AttraktivitÀt erlangen können?

IMG_5650naga-gĂŒrtel Foto:DvG

 

Der rote Staub anstelle des hiesigen blassen Staubs

Der Schweiß des Kannibalen

Die sorgfÀltige Pflege

Seine freudige Spannung bei der Bestellung, Besonderheiten waren zu besprechen, die Kauris zu beschaffen

Die Ziege ist selbst geschlachtet

Das Zeichen des freien Mannes, Zeichen des Status

Die Bewunderung der Kinder fĂŒr die neue Waffe des Vaters

Die Auftritte, die Kleinkriege, an denen die Waffe teilnahm

Im Ansatz können die Gesten des Gebrauchs nachvollzogen, nachgespielt werden. (Es sind auch Spielzeuge) Darum ist Sockelung so dumm, manchmal sogar aufgerichtete Dummheit

Der Platz in der HĂŒtte, wo sie ablegt wurde, mitten in der Privatheit. Der Kult, in dem sie diskret gedient hat

Das Bedauern, als sich BeschÀdigungen einstellten, die emotionale Abwendung, bevor es verkauft wurde, vielleicht, weil ein schönerer (oder stÀrkerer) Nachfolger ins Auge gefasst war

Deshalb möchte ich einen Gegenstand umso dringender besitzen, je mehr ich den Kontext in mir erwecke. Nicht einmal der Handwerker wusste alles darĂŒber.

Auf solchem Hintergrund ist FĂ€lschung empörend wie jeder Betrug. „Den falschen Anschein erwecken oder erhalten, tĂ€uschen“ heißt es dazu im Strafrecht. Oft soll auch gewöhnlicher Dreck aus der HĂŒtte AuthentizitĂ€t demonstrieren. Der erweist sich aber als genau so stumm wie unser Hausstaub, wenn wir nicht ĂŒber naturwissenschaftliche Methoden verfĂŒgen.

Es gibt aber auch Faktoren der Verarmung, die mich heute ebenso abtörnen. Sie sollten die Akzeptanz in der ‚zivilisierten’ Welt erhöhen, so fĂŒhrten die komplexbeladenen französischen und belgischen Kolonialisten oder ihre Lieferanten die Verarmung der Objekte in den Kunstbetrieb ein: Reinigen und Ölen, den Holz- oder Metallkörper aus dem Umkleidung herausschĂ€len. Dabei erfahren wir von Kunst-Ethnologen, wie unwesentlich bei Masken und Kultfiguren Gesicht oder Gestalt in vielen FĂ€llen fĂŒr ihre Bedeutung und ihre Kraft waren, wieviel Raum fĂŒr  individuelle Gestaltung blieb. Auch in anderen menschlichen Gesellschaften als unserer ist nur das Neue interessant, das aber in Auseinandersetzung mit tradierten Ă€sthetischen Normen entwickelt werden muss. Es existiert in allen Ethnien neben der funktionalen eine Ă€sthetische Kritik. Und die ist  entgegen einem verbreiteten Vorurteil auch EuropĂ€ern vermittelbar. (F.Willett, F.Kramer, …)

Nun haben SammelstĂŒcke in der Regel keine zum Erstbesitzer, oder auch nur dessen Dorf zurĂŒckfĂŒhrbare lĂŒckenlose Genealogie. Manche Feldforscher oder ethnografische Buchhalter, die Typologien entwerfen wollen, kaprizieren sich aber darauf. Darauf möchte ich zweierlei antworten:

Zum einen gibt es eine materielle KontinuitĂ€t, wenn die auch durch Betrug zu einer Fiktion wird, aber deshalb vielleicht nicht weniger interessant ist (Vgl. „The Art of Deception“)

Zum anderen lĂ€sst sich dieses Defizit kompensieren, soweit es den eigenen Kopf betrifft. Etwa in der Literatur erworbenes Kontextwissen lĂ€sst sich bei geeigneter Stimmung ebenso dramatisieren wie die angeblich authentische Erinnerung. Erinnerungen verblassen, verĂ€ndern sich und wandern in die SphĂ€re der Fiktion ein. Wir alle besitzen Mitbringel oder Geschenke, deren Hintergrund verblasst und uns gleichgĂŒltig geworden ist, die ihre ursprĂŒngliche Aura verloren haben wie zu oft wiederholte ErzĂ€hlungen. Sie stehen beziehungslos herum und werden lĂ€stig. Bereits die nĂ€chste Generation oder der nĂ€chste Besitzer muss sich die Bedeutung erzĂ€hlen lassen. Und wird ihn ein Allerweltsgeschehen wie ein ‚Geschenk’ interessieren? Namen sind Schall und Rauch. FrĂŒher oder spĂ€ter ist jedes Ding allein in der Welt. Die Bedeutung, Zeugnis von etwas zu geben, hat sich aufgelöst. Sie kann aber dank der materiellen KontinuitĂ€t,  dank verborgener innerer Werte, manchmal wiederbelebt werden.

Sammelobjekte aus fremden Kontexten versprechen dem Sammler, immer wieder zur eigenen Umgebung Abstand zu gewinnen Wer Fernbeziehungen den Vorzug gibt, wer lieber einen Funken Leben in der Ferne spĂŒrt als den vitalen Mahlstrom in der NĂ€he, flĂŒchtet sich in diese Welt. Eine Parallele zu hochangesehenen BeschĂ€ftigungen wie Philosophie, ‚philosophierenden’ – nicht bloß professionell betriebenen – Wissenschaften, aber auch GĂ€rten und Zierfischen, Bastelei und Spiel tut sich auf. Ein Hauch von Buddhismus weht durch die Sammelei, eben wenn …… !!   10.3.2014

 

Es gibt keine ‚Sammlung Mustermann’ in einem höheren, mehr als Ă€ußerlichen Sinn. Sie entstehen zufĂ€llig, nostalgisch, Ă€sthetisch, spontan oder pragmatisch, methodisch, manche vor allem aus Eitelkeit (Schatzbildung). Das alles sieht man ihnen fast sofort an. Meine Sammlung muss nicht als solche bewahrt werden, wohl aber die StĂŒcke, die bei mir eine Aura gebildet haben, und die ist in einer Gruppe vielleicht wirkungsvoll zu schĂŒtzen. Dinge mit Aura zu verkaufen oder zu stiften, scheint mir eine vernĂŒnftige Marktnische. In diesem Geiste – vom Erwerb ĂŒber die Beschreibung, VergleichsstĂŒcke und sozialer Kontext im weitesten Sinn – muss ich meinen Katalog gestalten. Der schließt dann auch manches aus, mit dem ich experimentieren kann.          16.5.2014