Jine Faro – Geist und Marionette

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Der „Bamana“-Katalog des Rietberg-Museums von 2001 enthält ein Kapitel von Mary Jo Arnoldi über „Sogow“, ein moralisches Marionettentheater von Fischern und später Bauern aus Mali, das ursprünglich nur in den Dörfern der Segu-Region am Nigerfluss, inzwischen aber landesweit von Bozo- und Sòmòno-Fischern, Bamana-, Marka- und Maninka-Bauern aufgeführt wird (93, Anm.1). Schmiede stellen die Stabpuppen her. (77) Arnoldi stellt fest, dass der skulpturale Stil nicht aussagekräftig sei: „Nach einheimischen Begriffen ist es (…) der Stil der Auftritte, welcher das Theater der Fischer und Bauern voneinander unterscheidet.“ Das gilt auch für die Typen: Die Abbildung unter Kat. 69  – bleich, starker Blick, auffällige Hände – könnte den Wassergeist Faró als Frau darstellen, ist aber eine „Maani“, eine der ständig aktualisierten Frauenfiguren. Der Name Farò wird im Glossar als „dritte Kraft bei der Erschaffung der Welt“ erläutert. Da sie in sich „die gegensätzlichen Pole kultureller Ordnung und Natur“ vereinige, werde sie als androgyne Gottheit dargestellt (243).

Mary Jo Arnoldi hat die Theaterauftritte von Bamana-Gesellschaften über Jahrzehnte studiert und darüber neun Titel publiziert. Ich habe “Playing with Time: Art and Performance in Central Mali“ (Indiana University Press 1995) konsultiert. Farò ist einmal abgebildet (Abb. 3.28, p.83). Sie sieht nicht viel anders aus als eine “maani of a European woman“ (Abb. 3.17, p.74 ).  Doch Arnoldi betont an anderer Stelle: Mimetische Qualitäten des Auftritts sind für den Erfolg eines Typs entscheidender als das Schnitzwerk. Solche Figuren steigen mit den Jahren in der Beliebtheit und sinken wieder ab, etwa die der „Mèrèn“ in den 50er Jahren. (p.98)

Dancers create the movements of spirits and genies from their characterizations in stories, legends, and epics. For example in the case of Jinè-Faro, the female water genie, the puppetier periodically uses the puppet’s hands to cover ist face. This gesture corresponds to a well-known legend.… (p.89)

Geister erscheinen Männern häufig in Gestalt schöner Frauen. In zahllosen Geschichten geraten Männer durch die Begegnung mit einem weiblichen Geist in Lebensgefahr. Die Leute erzählen: Während ein Fischerboot Jiné-Faro passiert, senkt sie die Hände. Wenn die Männer ihr nun gerade ins schöne Gesicht sehen, werden sie von ihrem Blick niedergestreckt und sterben. (p.175f.) Die Autorin verweist auf ambivalente Beziehungen zwischen Männern und Frauen.

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Bei Recherchen im Netz stoße ich schließlich auf einen Spielfilm von Salif Traoré: In „Faro – Goddess of the Waters“ (Burkina-Faso, 2007) geht es um einen Fluch, den die unsichtbare Faro auf den Fluss gelegt habe. Denn ein vor Jahren aus dem Dorf vertriebener ‚Bastard’ ist zurückgekehrt. Daraufhin lässt Faro einen jungen Mann im Fluss ertrinken. Soziale Konflikte, die das Puppentheater im zentralen Mali beschäftigen, werden heute ins Kino übertragen.

 

15.12.2014 auf ARTE: ‚Flüsse der Welt : Der Niger – Fluss der Geister‘ (2010)  Wdh. 9.1.15, 7.oo

Die Kamera streift kurz über das Wasserfest in Segou. Neben einem Bootsrennen wird für einen Moment die Zeremonie um den (m/w) Wassergeist Faró gezeigt. Auf dem linken Standfoto ist gut zu sehen, wie Faró die Augen bedeckt. Auch ist eine Schwanzflosse zu sehen. Verbindung mit dem Mamiwata-Kult von der Küste? Durch die Wanderarbeiter? Der Priester (hier nicht zu sehen) sitzt am Ufer im seichten Wasser vor einem großen gut gelaunten Publikum. Ein Volksfest. Wie geht die Vorführung wohl weiter? Früher gab es auch schon einen großen Auftritt an Land, in der Prozession der Marionette. Musste sie da auch erst vorher vor Publikum an Land gehen? Und die Bedeutung von Fisch und Krokodil? Fragen über Fragen!      >>

 Segou-Marionette   Segou-FischeSegou-Faro1   Segou-Faro2

 

Das Buch „Kunst im Ritual“ von Fritz W.Kramer ist erschienen (Studien zur Kulturkunde 128 des Frobenius-Instituts in Frankfurt/M, Reimer Verlag 2014. Dort vertritt meine Marionettenfigur in der Abbildung 13 (S.255)  den ‚Typus der glamoureusen sirenenhaften ‚Femme fatale‘, an der ‚die Spannung zwischen tückischen Schönheit und einer möglichen Anmutung großer Gewässer zu spüren‘  sei. (S.94) 

23.2.2015 Heureka! (dt. Aber hallo!)

Der Wassergeist, diese femme fatale, hat die verstrubbelten Haare einer Europäerin, einer Fremden! Bemerkte das Fritz Kramer nicht oder erschien ihm das bereits banal? Mir ging es erst beim Durchkämmen ihrer wirren Frisur auf.  Auf die Dauer setzen ja auch Perücken Staub an, und wegen der grassierenden Läuseplage in Kindergärten geriet ein ‚Staubkamm‘ in die Front der kosmetischen Regale meiner Stammapotheke. Was für eine glückliche Fügung! Heureka!