‘Uma crítica flusseriana a comunicólogos …’

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II ‘Os Fundamentos Científicos da Comunicação.Uma crítica flusseriana a comunicólogos cearensese seus desdobramentos’  von Michael Hanke in den Flusser Studies no.15 im Mai 2013: 

Abstract: Little is known on Flusser´s activities after his return to Europe from Brazil in 1972 and before the end of the seventies – settling first in Italy, then in France. It is fairly unknown, for instance, that he wrote reviews of Brazilian books about media and communications in order to evaluate and indicate them or not for publication in France. Three of those books are A Comunicação do Grotesco, by Muniz Sodré; Sociedade de massa (Comunicação e Literatura), by Luiz Beltrão; and Fundamentos Científicos da Comunicação, by various authors. Since Flusser hardly makes reference to this activity in his works, those reviews are of special interest because they present him as a connoisseur of communication theory, including cybernetics, in critical dialogue with contemporary Brazilian and international theory. The reviews analyzed here also provide information about the reception and the history of communication sciences in this period. Fundamentos (PDF 307.67 KB)

Der Aufsatz erstreckt sich über 12 Seiten, die Wiedergabe von Flusser auf Englisch verfassten Originaltexten über weitere 4 Seiten. Es sind Gutachten für einen Verlag, dem drei brasilianische Bücher für eine eventuelle französische Ausgabe vorlagen. Ich habe Michael Hanke den folgenden Text zugeschickt und von ihm erst – wie man so sagt – den Schlüssel zu seinem Artikel erhalten.  16.3.2014

 

I

Lieber Michael Hanke,                                                                         20.6.13

Sie haben in meiner Rezension Ihres Vortrags „Nachgeschichte, Postmoderne, und Telematik“ vielleicht die kritische Note vermisst – hoffentlich erscheint er bald, schon damit ich für ihn werben kann. Jetzt kann ich damit  dienen, anlässlich Ihres Beitrags in den FS 15.

Ich rechne es Ihnen hoch an, dass Sie die drei im Archiv schlummernden Dokumente veröffentlicht und komprimiert ins brasilianische Portugiesisch übersetzt haben. Dies sollte methodisch ein Modell für die FS sein, wo ein polyglotter Flusser auf eine fragmentierte Anhängerschaft von geringer fremdsprachlicher Kompetenz trifft.

Ihr Referat der Einleitung des Sammelbandes, auf die Flusser selber aber nicht explizit eingeht, bietet nach meinem Eindruck eine gute Diskussionsgrundlage. Doch in den Schlussfolgerungen sind Sie ausgesprochen sparsam. In Flussers Motive erscheinen zudem die Behauptungen pro domo ohne hinreichende Begründung oder Beleg.

Ich habe die Annexe zuerst gelesen und dann gesehen, was Sie daraus machen.

Meine Notizen:

 Drei starke Urteile, jedes auf andere Weise ‚vernichtend’. Sie kommentieren am Ende lakonisch: „um comunicologo  que sabe muito bem defender a area dele“. Er verteidigte also sein Territorium, bevor er es überhaupt öffentlich machte? Machte das für einen Verlag und sein Publikum in Frankreich Sinn? Bei Muniz Sodré wäre ein Vorwort oder eine Lektorierung bzw. eigene Kommentare des Herausgebers denkbar gewesen. Er selbst war qualifiziert dafür. Das Argument gegen eine Veröffentlichung, die Leute würden überfordert, hatten übrigens die FAZ-Redakteure verschiedentlich ihm gegenüber vorgebracht. Und er kannte die Franzosen nicht einmal, wie Sie schreiben, nicht ihre Debatten, konnte kaum die Sprache. Das Vorwort des Sammelbandes, das Sie referieren, er aber nicht erörtert, erklärt doch das Projekt in seiner ganzen halb improvisierten Gestalt. Keine Abwägung, nur Ablehnung.

Von seiner Hassfigur des autoritären ‚Verlegers’ als Verhinderer  unterscheidet ihn bloß, dass er intrigant und giftig ad personam argumentierte. Das kennt man von Exilantenkreisen überall in der Welt. Flusser demonstrierte seinen Abstand von ‚Brasilien’, vor allem im theoretischen Niveau. Er war aber Jahrzehnte lang selber aktiver Teil dieses Milieus gewesen und verdankte ihm viel, wo er sich nicht einmal einer akademischen Ausbildung unterzogen hatte.

Ich hätte von Ihnen einen trockenen Kommentar erwartet von der Art : 100 % Flusser, wir kennen ihn ja: grob, undiplomatisch, emotional, ungerecht, von sich eingenommen (….)   Und warum haben Sie diese Texte vorgetragen? Was sollte daraus werden? Ist Flussers heftiger Abschied von Brasilien das wichtigere Thema? Die biografische Lücke ‚Frankreich’ ist ja kaum kleiner geworden.

Herzliche Grüße aus einem gerade einmal tropischen Deutschland (seit vier Tagen 37oC, aber nur 60% Luftfeuchtigkeit)           Detlev von Graeve

P.S. Wir verfolgen in den Medien die Proteste in Brasilien, vorher die in der Türkei, …. Die Bewegungen scheinen sich mit Lichtgeschwindigkeit fortzupflanzen. Wäre das bei Lula denkbar gewesen? Leider lässt sich das nicht als ‚Fortschritt’ deuten, dafür sind die Ergebnisse zu instabil.

 

II

Am 20. Juni 2013 schrieb mir Hanke, dass es auf den verborgenen politischen Subtext ankomme. Alle drei von Flusser besprochenen Autoren seien Urgestein der brasilianischen Kommunikationswissenschaft und Journalistik. Zugleich seien Beltrao und Melo umstritten. Dieser Artikel habe in Brasilien wider Erwarten ziemliche Wellen geschlagen. Die Brisanz bestünde darin, dass Flusser sich pro Sodré und gegen Beltrao und Melo stellte. Dass er sich auch gegen die Veröffentlichung von Sodré aussprach, sei damit ausreichend begründet, dass man historisches Detailwissen aus einem anderen Land benötige, das erst mühsam nachgetragen werden müsse. – Das überzeugt mich nicht wirklich. Wie anders können Theorien von Land zu Land wandern?   Auch die Einschätzung, dass sich in diesen Manuskripten Flusser als kompetenter Kommunikologe beweise, ‘und zwar schon lange vor der Abfassung der Kommunikologie’, erschließt sich mir nicht.

 

 

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