PUTIN, DER KRIEG UND DIE GUTEN

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Der Kriegsverbrecher Nr.1 – nach welchem Rating? – versucht, tut, unterlĂ€sst Alles, was ihm in der jeweiligen Lage opportun und möglich erscheint. Er behauptet, demonstriert, tĂ€uscht, lĂŒgt, lĂ€sst Kriegsverbrechen verĂŒben. DOCH das ist normal, wenn Kriege der Gegenwart erst ihrer  eigenen Logik folgen. Eigentlich bereits im 19. Jahrhundert.  Wer anderes erwartet, romantisiert, verharmlost den Krieg wie im Kino, etwa nach dem Modell US-Western, die bei ARTE wieder auferstehen.

Und ein großer Teil der Welt sieht und behandelt den Ukrainekrieg anders als der Mainstream in Deutschland. (LINK)

Den Ausdruck „Überfallen“ wĂŒrde ich nur bei einem ĂŒberraschenden Angriff anwenden.Der Begriff passt zu einem desinformierten und/oder schlicht desinteressierten Beobachter. Angesichts einer Jahrzehnte dauernde Vorgeschichte wie im Fall der Ukraine sollte das nur fĂŒr das Publikum der Massenmedien gelten, ansonsten wĂ€re etwas faul in der politischen ‚Elite’.

Die Rhetorik des Angreifers ist eine andere als die des Angegriffenen. Die Propaganda eines Angreifers wie Putin dĂŒrfte niemanden ĂŒberraschen. In jedem Amtsgericht könnte man praktische Erfahrungen sammeln; dessen Sitzungen sind ĂŒbrigens öffentlich.

Die Rhetorik des Angegriffenen hat auch ihre TĂŒcken. Bestes Beispiel ist der schauspielerisch begabte Noch-PrĂ€sident Selensky. Er sucht verzweifelt BĂŒndnispartner und bedrĂ€ngt sie instĂ€ndig. Wie einer, der unversehens auf dĂŒnnem Eis eingebrochen ist.

Die Situation der Ukraine war bereits 2014 nach Russlands Eroberung der Krim prekĂ€r und nach der Sezession der – auf sowjetischem Niveau wirtschaftenden – Ostgebiete. WĂ€re vor zehn Jahren ein harter Schnitt verbunden mit Garantien der WestmĂ€chte mit Entschlossenheit auszuhandeln gewesen? Das zerfallene Sowjetreich hat schließlich noch andere ‚Baustellen’, im Kaukasus etwa. Mir kam dazu in diesen Tagen wieder ein Zeitungsausschnitt von 2021 in die Finger. Tenor: Der Donbass sei fĂŒr die Wirtschaft der Ukraine entbehrlich, sogar ein ZuschussgeschĂ€ft.

Sollte die Glorreiche Sowjetunion etwa am Ende 1990 so billig durch Implosion als Weltmacht abgedankt haben, nach den gewaltigen Menschenopfern ab 1917 und 1941 mit  einem vergreisten FĂŒhrungspersonal (Breschnew, Kossygin) und den so sympathischen Heilsfiguren Gorbatschow (Friedennobelpreis) und Jelzin (Alkohol)? Sollten mittelalterliche islamistische Mujaheddin in Afghanistan fĂŒr den modernen und demokratischen „Westen“ die ganze Arbeit geleistet haben?

Der amerikanischen Öffentlichkeit wĂŒrde ich derartige „notwendige Illusionen“ (Chomsky) noch unterstellen, aber doch nicht ihrer professionellen Machtelite in Washington! Sie hat seit 1945 noch nie strategische Risiken unterschĂ€tzt, sondern sogar öffentlichkeitswirksam optisch vergrĂ¶ĂŸert, etwa den „RĂŒstungswettlauf“ im „Kalten Krieg“. Sie war auch schon von 1991 bis 2021 in der Ukraine aktiv. Vielleicht werden spĂ€tere Historiker sagen können, was ihre PrĂ€senz – und die unterstĂŒtzende PrĂ€senz der EuropĂ€ischen Union („Osterweiterung“) – wirklich bedeutet haben (Koch und Kellner). Ehrlich: ich weiß es nicht.

Weiter: Warum verzichtete die Ukraine auf die gelagerten Atomwaffen? * Warum hatte sie vom BegrĂŒnder sowjetischer „Stagnation“ Chruschtschow ĂŒberhaupt das zweifelhafte ‚Geschenk’ einer – eher von Krimtataren bewohnten – „Krim“ bekommen? Warum ließen die gemeinsame Geschichte seit des Kiewer Rus, die Eroberung durch Katharina „die Große“ im 18. Jahrhundert, der Völkermörder Stalin (Aushungerung) und die Frontwechsel im Zweiten Weltkrieg nichts Schlimmeres befĂŒrchten?

Samuel Huntingtons allgemeines Modell „The Clash of Civilizations“ (1993-1996, LINK)) wurde letztlich nur akademisch diskutiert. Seine Folgerungen passten nicht in die aufgeplusterte Vorstellung einer an allen Fronten siegreichen „Globalisierung“ und „Demokratisierung“.

Ob wenigstens jetzt die Ukraine als Ganzes „zu Europa gehört“, das ist eine emotionale, aber viel zu komplexe Definitionsfrage, so wie im Fall des heutigen Georgien, Armenien, der TĂŒrkei und Israels seit zwei Jahrzehnten, und was der Beispiele mehr wĂ€ren.

 

Ich will auf eins hinaus:

Ein unweigerlich zerstörerischer KRIEG ist das Schlimmste, was den Menschen passieren kann. DafĂŒr tragen letztlich alle Beteiligten Verantwortung, politisch – aber auch – fĂŒr WesteuropĂ€er essentiell – moralisch.

Viele junge Ukrainer (solange möglich) und Ukrainerinnen stimmen mit den FĂŒĂŸen ab und haben das bereits in großem Ausmaß getan. Sie vertrauen nicht den eigennĂŒtzigen und letztlich prekĂ€ren „Almosen“ westlicher Staaten. Wir EuropĂ€er mĂŒssen Schadensbegrenzung ĂŒben, die alten Verbindungen zum ‚hĂ€sslichen’ Nachbarn wieder anknĂŒpfen, soweit wir sie ĂŒberhaupt kappen konnten und wollten, siehe das ĂŒberaus löcherige „Embargo“.

….. PARA BELLUM. Deutsche Sicherheitsinteressen lagen nicht am Hindukusch, das haben unsere Politiker lernen mĂŒssen.  Was hat die Ukraine uns und der EU an Perspektiven zu bieten, wo doch eine Reihe mittel- und osteuropĂ€ischer Mitglieder ‚der Gemeinschaft‘ nur Probleme machen? Was fĂŒr ein Aufwand, bloß um ‚der Wirtschaft‘ ArbeitskrĂ€fte zu rekrutieren!

Ein Verhandlungsprozess wird ungemĂŒtlich. Niederlagen, Abtretungen und der erzwungene Verzicht auf Genugtuung (deutsch: „Kompensation“) gehören dazu. Russland ist in seiner unvorstellbaren Ausdehnung ein seit Jahrhunderten geschundenes Land, die Menschen haben schon ‚immer’ unter ihren Herren gelitten. Was können sie noch fĂŒrchten? Trost: Auch Putin ist sterblich.

FrĂŒhere Generationen der ‚ethnischen‘ Deutschen haben zwei katastrophale Niederlagen erlitten, 1918 und 1945, mit  strategischenn und wilden  „Vertreibungen“, nebenbei mit  FlĂ€chenbombardements gezielt gegen die „Zivilbevölkerung“. Ich selbst bin in Frankfurts TrĂŒmmerlandschaft der Nachkriegszeit aufgewachsen, aber das war ja fĂŒr ein Kind noch harmlos.

Das eigene Verschulden und die Eigenverantwortung war den Individuen danach verstĂ€ndlicherweise egal. Die wurden von der Mehrheit der Westdeutschen als Teil der totalen Niederlage hingenommen, weil eben die materiellen Bedingungen dank Marshall-Plan stimmten. Eine neue Generation wuchs unbelastet und historisch naiv auf: die „1968er“. WĂ€hrend  im sowjetisch besetzten Osten die antifaschistische LebenslĂŒge eines „besseren Deutschland“ und die ProvinzialitĂ€t des SED-Staats vierzig Jahre lang hinzunehmen waren, hat im Westen diese „68er“-Generation die einmaligen Chancen ihrer SelbstaufklĂ€rung nicht genutzt. Von der komfortablen „Erfolgsgeschichte“ der „Bonner Republik“ (Wikipedia) aus leistet man sich bis heute einen ĂŒberhöhten Standard an Moralismus und viel ĂŒberflĂŒssige Symbolpolitik. Apropos Gendern: Ich bitte, mich zu entschuldigen; es ist mir zu mĂŒhsam.

Hat der WĂ€hler die Wahl? Jeder und jede haben nur einen Versuch alle vier Jahre. Selbst wenn sie mit Überlegung taktisch wĂ€hlen, muss das eigentlich immer schiefgehen.

 

* Nachtrag zum Verzicht der Ukraine auf das Atomwaffenarsenal auf seinem Territorium, 2019 aus amerikanischer Sicht:  Steven Pifer – Budapester Ukraine-Abkommen 1994  pdf. – Zwanzig Jahre lang klang das doch vernĂŒnftig. Und hĂ€tte sich der fragile neue Staat ĂŒberhaupt dagegen wehren können?

Ein Gedanke zu „PUTIN, DER KRIEG UND DIE GUTEN

  1. Paul Pfeffer

    Lieber Detlev,
    1. Danke, dass du nicht genderst 🙂
    2. Ich teile deine Sicht auf die Dinge. Wer Krieg fĂŒhrt – und das ist eben nicht nur Putin! – braucht eine entlastende ErzĂ€hlung. Vor allem wir WesteuropĂ€er brauchen sie, weil wir uns angewöhnt haben, auch im politischen Raum moralisch und gesinnungsethisch zu operieren. Das macht uns schwach gegenĂŒber MĂ€chten, die schlicht machtpoitisch denken und handeln. Wir halten unsere „Werte“ hoch, wĂ€hrend die anderen ihre Interessen verfolgen.

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