Gespräch mit Rüdiger Safranski, Video des WDR/ARD 1 in Zusammenarbeit mit Junius, ca. 45 Minuten, ISBN 3-934102-65-4 – Notizzettel mit Kernaussagen, als ‚Handout’ im Unterricht (1990er) verwendet. Lebensdaten P.F.: 1924-1994
1. …. (keine Notizen, unbedingt nachholen)
2. Wahrheit
Wenn man sagt: „Mein lieber Freund, gestern hast du mich aber angelogen…“
Was die Wahrheit ist, ist eine andere Frage.
Ich will keiner von den Leuten sein, die stolz darauf sind, dass sie irgendwo keine Ahnung haben. Gehen wir einmal in die Wissenschaften hinein, die sehr vielfältig, sehr aufgespalten sind. … Jede dieser Vorgehensweisen hat gewisse (auch positive) Resultate, als ob die Natur, das Sein oder was immer antwortete. Eine Antwort gibt es immer.
Zu behaupten, es gebe eine allgemeine Idee von Gerechtigkeit, das hat doch Resultate, z.B. eine mehr dogmatische Idee von Freiheit, das hat Resultate, sehr schlechte. Nicht nur ist die Sache leer, sondern wenn man entschieden genug mit den leeren Sachen umgeht, so füllt sich das in der Vorstellung mit einem Sinn, und plötzlich verändern sich Sachen in einer miserablen Weise. Drum ist doppelte Vorsicht geboten.
3. Forschungsethik
Wenn man aufklären will auf objektive Weise, d.h. auf niedere und höhere Götter und Geister verjagende Weise, was in einem Wald vorgeht, das verändert schon die Sicht der Leute. Die verändern ihre Sichtweise. Die Götter verschwinden. Schon Plutarch – nicht erst Nietzsche „Gott ist tot“ – klagte: „Pan ist tot“. „Gott ist tot!“ – Sehen Sie, das ist wieder so ein … Da sagt einer einen blöden Satz, und die Leute stürzen sich darauf und schreiben dicke Abhandlungen. Da sitzt ein armer Mann, nervös, und sagt: „Gott ist tot“… Die Leute sagen… erster dicker Band, zweiter dicker Band. Ich verstehe diese Leute nicht.
Die langsame Entgötterung gibt den Rahmen vor. Das hat schon sehr früh angefangen mit der Trennung von Seele und Leib, als der Mensch nicht mehr Durchgangsstation gewesen ist von göttlichen Eingebungen wie z.B.: Der Traum kommt zum Agamemnon, steht am Kopfe und spricht zu ihm und wandert weg. Der Mensch ist offen und es gehen in ihn hinein eine Menge Sachen. Jetzt seine „Seele“ geschlossen, ein Gefängnis, in dem es drunter und drüber geht und worin – für manche Philosophen – große Dinge passieren.
Ich bedauere es eigentlich, aber rückgängig machen lässt sich die Sache nicht so sehr. Aber wo sie noch besteht, bei manchen Leuten der 3.Welt, dass man sie da bestehen lässt und wenn man schon eingreift, dass ….. die das auffassen als eine äußere Hilfe und nicht als etwas, was mit dem Wesen der Dinge und der Natur etwas zu tun hat.
Tierversuche – da müssen Leute für sich Entscheidungen treffen. / konstruiertes Fallbeispiel/ …da bin ich gespannt, wie sich ein Anti-Vivisektionist entscheiden wird. Ich würde mich natürlich für die geliebte Person entscheiden. …Darum ist es so gefährlich, allgemeine Prinzipien aufzustellen. Und auch die Neugier: … nicht bohren bis ins letzte gerade bei Personen, die einem nahestehen… Dies ist für mich ein nicht sehr freundlicher Aspekt der Wissenschaft.
4. „Farewell to Reason“ – „Lebwohl Vernunft“ (Buchtitel)
.. die Vernunft, die von anderen Leuten benützt werden kann, um andere niederzuschlagen oder niederzuhalten. Wörter wie Vernunft und Freiheit, die man mit anderen zusammen für viele Gelegenheiten benützen kann. Im gewöhnlichen Sinn möchte ich es schon gerne haben, dass Leute vernünftig sind, aber nicht als spezielles Organ. Kant: „Wer lügt, beleidigt die ganze Menschheit“- was für eine idiotische Sache! Es gibt viele Umstände wo… und wo… nicht: Vernunft als ein Gerüst und „wir sind die Verwalter dieses Gerüsts“ … das ist einfach Tyrannei. Wir sollten lernen, ein bisschen Menschenverstand zu behalten gegenüber diesen „wichtigen Erkenntnissen“. Sagen: „Ihr werdet einen verdorbenen Magen kriegen“, aber nicht mit einem Tank kommen: „immer kritisch sein“
Dazu bedarf es einer Freundschaft zwischen denen, die ein bisschen mehr wissen und den Studenten …
5.Lieber im Alten Griechenland gelebt haben?
Größerer Reichtum! Aufklärung heißt dann: Etwas lernen, aber nicht unter Vernichten dessen, was man vorher gewusst hat.
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