Von China lernen – Unrechtsbewusstsein (Dialog)

|

Wie über China aufklären? – D. war hier. Was China angeht, spricht er von einem vagen Eindruck unversöhnlicher Widersprüche, einem zweigeteilten Bild Chinas, wie es die westliche Wahrnehmung seit mehr als hundert Jahren strukturiert: Weisheit und Hochkultur einerseits – Gelber Drache und Rote Ameisen andererseits, Gelbe Gefahr, Barbarei und Opium. Könnte ich nicht Leute wie ihn an der Hand nehmen, mit einem Ratgeber, einem deftigen Unterrichtsbuch, z.B. für das Fach Ethik, oder besser noch im Stil von: Clever Bluffen? Oder noch besser: Meine Vielzahl erinnerter Geschichten launig verknüpfen: Diderot’scher Dialog mit Text-Einlagen von maximal zwei Druckseiten. Versuchen wir einen Dialog!

Haben diese Wirtschaftsverbrecher, die unsere Kinder mit giftigem Spielzeug kontaminieren „gar kein Unrechtsbewußtsein“?

Natürlich nicht! Aus Sicht chinesischer Ethik – Mainstream –  ist alles so einfach und schlüssig: Für Mattells Kunden tragen diese Gangster schon gar keine Verantwortung. Bei Mattell weiß das Management selbst, warum es in China produzieren lässt und unter welchen ‚frühkapitalistischen’ Rahmenbedingungen. Man hat sich auf abgeschlossene Verträge und die hauseigene Kontrolle verlassen? Selbst schuld, wenn man sich überschätzt. Behandeln nicht gerade die Amerikaner Verträge als Waffe gegen ihre Partner?  Die Waffe war wohl diesmal stumpf, sie müssen noch viel dazulernen, die Grünschnäbel! Betrogene Betrüger! Wollten uns mit den Preisen über den Tisch ziehen. Wir haben akzeptiert, na und? Chinas Alltag kennt keine ‚ Nächstenliebe’; die Idee ist vielleicht etwas für Frauen, die zu viel zu den Buddhisten  laufen. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

Aber die Loyalität der Betrüger gegenüber ihrer eigenen chinesischen Firma? Es war doch klar, dass der Produktionsmangel binnen kurzem auffliegen würde.

Im Anschluß an Qinglian He (‚China in der Modernisierungsfalle’, 1998, dt. Hamburger Edition 2006) muss man davon ausgehen, dass die untreuen Manager die Firma rechtzeitig vor den Reklamationen verlassen haben und dass ihnen vielleicht ein halbes Jahr Vorsprung genügt hat, um die Profite abzuzweigen und den Nachfolgern den Scherbenhaufen zu hinterlassen. Hit and Run. Und dass sie sich sicher fühlen, weil sie Beziehungen haben. Unter anderen Plünderern. Räubermoral, sehr alt.

Die ‚Weisheit der Daoisten’ ist käuflich. Jeder ist als Schüler willkommen. Sie ist einmal eine  Beziehungs- und Verhaltenslehre, die gefährliche „Strategeme“ (H.von Senger) hervorbringt. Der‚gute Koch’ des Zhuangzi (Dschuangdsi) braucht sein Messer nie zu schärfen, der „General“ und der intrigante Bürokrat gewinnen jede Auseinandersetzung, die sie annehmen. Geschmeidige Selbsterhaltung als einziges Prinzip. Ihre tieferen Inhalte und Werte kann man straflos ignorieren. Auch für den Daoismus gilt, was Zhuangzi  in ‚Räubermoral’ über „die Moral der Heiligen“ sagte: „dass die Räuber ebenfalls nicht ohne die von Heiligen geschaffene Moral ihr Handwerk treiben könnten. Nun sind der Guten auf der Welt nur wenige, der Schlechten aber viele, und darum ist der Nutzen der Heiligen für die Welt gering, ihr Schaden aber groß.“ (Das höchste Glück, it 3115, 2005, Übersetzung H.O.H.Stange, S.55)

Alle westlichen Idealisierungen Chinas haben sich immer wieder aufgelöst in einer bestechend einfachen und anpassungsfähigen Denkart. Es ist ja nicht so, dass westliche Menschen moralischer handelten – nur zwei Stichworte: „Gammelfleisch“ und Waffenexporte – aber ein verlogener ideologischer Überbau lässt sie oft hässliche Verrenkungen machen, um  ihr Tun zu beschönigen. Schopenhauer hat dies bereits angeprangert.

Hart am Leben ist chinesische Theorie, Alltagstheorie und hohe Theorie – sofern sie nicht als freche Lüge das Gesicht zu wahren versucht, was wieder allgemein akzeptiert wird.

Willst du eigentlich Feindbilder verbreiten?

Feindbilder gehören wohl zum ältesten Bestand der Menschheit, und sie hat sie bereits geerbt, diese lebensnotwendigen Schablonen! Wer Gefahren nicht rechtzeitig wahrnimmt, geht unter. Damit hat Denken begonnen. Man hat uns Deutschen so viele Hemmungen eingetrichtert und als Menschlichkeit schmackhaft zu machen versucht. Umerziehung, reeducation, nicht wahr? Und nach einem halben Jahrhundert verlassen sich Wirtschaft wie Politik – wissenschaftlich beraten – schamlos offen auf die Sozialsteuerung. Es war ja schon lächerlich, den politisch korrekten Diskurs ernst zu nehmen. Mit solch gespaltenen Denken kann man die Welt nicht verstehen. Ich sage nur „Frankfurter Rundschau“.

Wir erleben die Auferstehung der Kategorie der Dummen, nicht eigentlich als Täter, sondern als Opfer ihrer Illusionen und ihrer Gier. Vorerst in der Formulierung: „dumm gelaufen“.

Lasst uns von China lernen! Von seinen besten Köpfen!

20.9.2007, Redaktion 7.12.2013

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert