Sowas ess ich nicht! – Umweltzerstörung und Sklavenarbeit in Portugal

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Ich hab’s vor vier Wochen F. Heuer versprochen, deren Herz an diesem Land und seinen Menschen hängt. – Die “Nelkenrevoluton” 1974/75 war die letzte Revolution, mit deren Entwicklung ich mitfieberte. Im Sommer 1975 lernte ich auch die Landarbeiter im Alentejo, ihr bescheidenes Leben und ebenso bescheidenen Hoffnungen kennen. Man kann die sozialen und politischen Erfolge des unausweichlichen Weges nach Europa und in die EU anerkennen und trotzdem den hohen sozialen Preis wahrnehmen, den der “Gemeinsame Markt” der Konzerne immer noch fordert, und die profitablen Anlagemöglichkeiten, die sich ihnen daraus bieten. Für die betroffenen asiatischen Arbeitskräfte gilt, was die Autorin im Anschreiben so formuliert hat: “Auf den Feldern des Alentejo arbeiten jetzt zehntausende Wanderarbeiter zu Bedingungen wie noch vor den Landarbeiter-Streiks der 1954er Jahre (bei denen Catarina Eufémia (LINK) erschossen wurde)

Ob die Kunden der Supermarktketten eine nennenswerte ‘Konsumentenmacht’ darstellen? Kein Grund stillzuhalten!

Das LIW-Lohmarer Instituts für Weiterbildung (LINK) bietet regelmäßig auch Bildungsurlaube in Portugal an.

Admin 22.8.21

 

Doku

Lage des Landschaftsschutzparks. Google Maps 15.8.2021 Bildschirm

Parque Naural do Sudoeste Alentejano Google Maps 15.8.2021 Bildschirm    (Abb. 2x anklicken!)

 

 

 

 

 

ZITAT

Umweltzerstörung und Sklavenarbeit

Dritte Welt mitten in Europa: die superintensive Landwirtschaft und ihre Folgen in Portugal

In allen Supermärkten werden sie angeboten: Beeren, verpackt in kleine Plastikbehälter, 125 Gramm für etwa 2 Euro. Die Produktionsbedingungen sieht man den appetitlichen Früchten nicht an: Sie wachsen in gigantischen Plastikgewächshaus-Städten im Süden Europas, wo sie dem umliegenden Land das knappe Wasser entziehen – das durch die eingesetzten Pestizide zusätzlich belastet wird. Angebaut und geerntet werden sie von modernen Sklaven: illegale oder halblegale Migranten aus Asien, Afrika oder auch aus Osteuropa, die unter zumeist unmenschlichen Bedingungen auf engstem Raum in Gemeinschaftsunterkünften hausen, für die sie auch noch einen Teil ihres äußerst geringen Lohns aufbringen müssen.

Diese Bedingungen, für die zum Beispiel der Tomaten- und Erdbeeranbau im Süden Spaniens schon lange kritisiert wird, kennzeichnen seit einigen Jahren auch in Portugal den Obst- und Gemüseanbau. Gelockt von EU-Fördermitteln, die bis zu 55 % der Investitionskosten decken, lassen sich internationale Konzerne im Alentejo und an der Algarve nieder. Inder, Thailänder, Nepalesen, Pakistani arbeiten in den Beerenzucht an der Küste, im Avocado-Anbau an der Algarve und auf den neuen Olivenplantagen im Hinterland nahe der spanischen Grenze. In ganz Portugal sind es nach Schätzungen der Bürgerrechtsorganisation SOLIM weit über 40 000 Wanderarbeiter.

Mit ihrem lockeren Bestand an Korkeichen, Steineichen und Olivenbäumen, drunter Weideland für Schaf und Schwarzes Schwein oder ein paar Reihen Wein, war das alentejanische Hinterland an das typische Klima mit seinen langen, heißen Sommern angepasst. Seit der Fertigstellung des riesigen Alqueva-Stausees im Jahr 2002 hat sich diese traditionelle Kulturlandschaft massiv gewandelt. Der Stausee ermöglichte eine konstante Bewässerung und damit die neuen landwirtschaftlichen Kulturformen. Diese verbrauchen sehr viel Wasser, pausenlos – und die Wasserwirtschaft ist in Portugal größtenteils privatisiert und garantiert bei Engpässen nur die Belieferung der großen Abnehmer. Seit den 1990er-Jahren versäumen es die portugie- sischen Regierungen, die Verteilung des Wassers als öffentliches Gut in Gesetzen festzuschreiben.

Der Einzugsbereich des Flüsschens Mira an der Westküste steht seit 1988 unter Landschaftsschutz, 1995 wurde er in den Naturpark Costa Vicentina integriert, dessen Klippenwanderweg und Buchten viele von schönen Urlauben kennen. Mitten in diesem Landschaftsschutzgebiet findet der superintensive Beeren- Anbau statt. Die Plastikgewächshäuser haben sich mittlerweile schon bis unmittelbar an die Felsen der Steilküste ausgebreitet.

Diese Plastikarchitektur, die superintensiven Olivenplantagen im Landesinneren und auch die Avocado- plantagen an der Algarve haben nicht nur die Landschaften grundlegend verändert, sie greifen auch ins Gefüge der ländlichen Gesellschaft ein. Die Landarbeiter des Alentejo haben nach der Nelkenrevolution hart erkämpft, dass sie nicht nur tageweise während der Erntezeit angestellt werden, sondern auch in den Wintermonaten abgesichert sind. Mittlerweile ist es wieder so, als hätte dieser Fortschritt nie stattgefunden – nur dass jetzt nicht mehr die portugiesischen Landarbeiter ausgebeutet werden, sondern die Migranten. Die jungen Alentejaner möchten nicht Sklaven im eigenen Land sein, sie arbeiten durchaus auf Feldern, allerdings in der Schweiz oder in Frankreich.

Initiativen wie „Solidaridade ao Imigrante“ (SOLIM) oder #juntospelosudoeste. setzen sich für die Rechte der migrantischen Arbeitskräfte, gegen die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen und für die Interessen der traditionellen bäuerlichen Betriebe ein. Wir fordern mit ihnen

  • staatliche Vorgaben für eine gerechte Wasserverteilung,

  • sorgfältige Kontrolle der Arbeitsbedingungen,

  • die Umsetzung wenigstens der minimalen Vorgaben der EG-Landwirtschaft sowie

  • ein besseres Lieferkettengesetz mit Mandat für Kontrollorgane und mit klarem Strafmaß bewehrt.

Bevor nicht wenigstens diese Forderungen umgesetzt werden, rufen wir dazu auf, Produkte aus dieser Form der Landwirtschaft in den Regalen liegen zu lassen!

V. i. S. d. P.: marmello Reisen, F. Heuer

 

Weitere Informationen SPIEGEL ONLINE 22.8.21 (LINK) für deutsche Gesundheits-Gourmets , insbesondere Heidelbeer-Esser

Eine ausführliche Reportage von einer riesigen Heidelbeer-Plantage nördlich von São Teotónio (siehe Karten), die die unternehmerische Seite, den rapide wachsenden Markt vor allem auch in Deutschland, die Auswahlkriterien und die Situation der asiatischen Wanderarbeiter, den Wasserbedarf der Plantagenwirtschaft, die Übernutzung des im  Landesinnern gelegenen Stausees und die ‘Austrocknung’ der bäuerlichen Landwirtschaft detailliert schildert, sowie erste Anzeichen von Gegenwehr.

Wer nicht die Muße hat, seine Zeit als Couch-Potato mit ‘sozialkritischer Literatur’ in Illustrierten  zu verbringen und vielleicht auch keine Lust auf  die Schilderung immer derselben Details von sozialem und ökologischem Raubbau, dem sei gesagt: Im Flugblatt steht das Wesentliche bereits!

“Das 247-Millionen-Euro-Geschäft mit Europas Frühstücksbeeren

Der Hunger der Europäer auf Heidel-, Erd- und Himbeeren hat Portugals Provinz in eine Goldmine für Großkonzerne verwandelt. Die Arbeitsmigranten und das größte Naturschutzgebiet des Landes leiden unter dem Boom. Von Jan Petter,  São Teotónio

 

5.10.21 

REISEREPORTAGE IN DER NEUEN ZÜRICHER ZEITUNG ÜBER DEN ALQUEVA-STAUSEE (LINK) – als weitere Facette nützlich, bemerkenswert ‘zahnlos’, aber im Grunde nur hilflos.

Europas grösster Stausee entzweit die Gemüter

Vor fast zwei Jahrzehnten wurde der Alqueva-See in Portugal eingeweiht, er sollte die Landwirtschaft im trockenen Alentejo ankurbeln und den Tourismus beleben. Doch nicht alle wurden glücklich damit.    Ute Müller, Évora (….)”

 

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