Hocker eines Chefs der Holo

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W. erhielt aus Bandundu lange nichts mehr von den Holo.

Es handelt sich um eine kleine Volksgruppe ( “6000” Mitglieder ) am Kwango-Fluss direkt oberhalb der ersten Stromschnellen an der Grenze zwischen RDCongo und Angola. Sozial und kulturell steht sie seit langem in engem Kontakt mit Yaka und Sulu, Pende und Tshokwe.

Ich durchkämme die üblichen Bücher nach Informationen und ästhetische Verwandtschaften, und sei es in Details. Denn trotz ihrer Missionarskontakte seit dem 17. Jh. wurden sie „bis 1950 nicht erforscht“. Die schmale Stil-Monographie von Francois Neyt (1982 Galerie Jahn, München) kenne ich noch nicht.

34,5 cm hoch, Durchmesser 26,5 (frontal) x 24,5 (seitlich) – ungereinigt 25.10.20

Die Holo wurden als Jäger und Schmiede „wegen ihrer geistigen Macht gefürchtet und geachtet“ (Kilengi S.381) Machtteilung herrscht zwischen den „Chefs der Erde“ aus den Reihen der „ersten Besitzer des Landes“ und den Häuptlingen aus „Abkömmlingen von Einwanderern“. diese leiten ihre Abstammung aus der weiblichen Linie her. Daher „sind Darstellungen von Klangründerinnen sehr verbreitet.“ (ebd.)  Doch beide Seiten verehren die Königin („Holo dya Mukhetu“). Im Katalog Kilengi (Hannover 1997) wird eine solche Figur abgebildet und beschrieben. (Abb. 133, p.222-3).

Kilengi p.222 no.133 Holo Königin

 

 

 

„Sie sitzt auf einem runden Hocker“. Formal bietet der Kopf ein paar Übereinstimmungen: die Bögen der Augenbrauen, Bohnenaugen, Nasenflügel und rechts wie links zwei ‚Tränen’. Übrigens erwähnt Stoullig-Marin – in Kerchache/Paudrat p.584 –  eine überstehende Linie auf der Stirn der Figuren als Reminiszenz an die „außerordentlich stilisierten“ Frauenfrisuren.  Die Kante findet sich auch an der Hockerfigur, dazu wie ein ordentliches Volumen des Hinterkopfes.

 

Kilengi p.225 no.134 Holo mvunzi

Die „magische Figur (mvunzi)“ in Kilengi Abb. 134 ist mit ihr formal verwandt, einschließlich der Tränen. Diese Figur ist mit 43 cm auch ähnlich groß.

Die Figur könnte sogar zu einem Hocker gehört haben, denn die entsprechende Basis ist fragmentarisch erhalten, die Schädelrundung könnte man nachträglich vervollständigt haben. Ein auffälliger Unterschied zu meinem Hocker besteht in den betonten runden tiefen Ohröffnungen. Aber bei genauerem Hinsehen lässt sich an ihm zwischen Hand und Schläfe eine halbmondförmige Fläche als Ohrmuschel interpretieren. Neyt: Art traditionnel du Zaire (1981, Fig. VI 13, p.128) zeigt eine sehr ähnliche dörfliche Stempelfigur, 48cm hoch, “Dorf Paka, Zone Boti “(nicht auf seiner Karte p.110)

 

Die Hände berühren – wie u.a. auf dem abgebildeten Hanfmörser (Kerchache … no.1035, p.594) – die Schläfen, die Ellenbogen stützen sich auf die Knie. Das schafft einen Eindruck von Leichtigkeit, da die Hände erkennbar nicht zum Tragen gebraucht werden.

 

 

 

Die Hockhaltung ist in der Gegend Allgemeingut, „das herzförmige Gesicht und die konvexen, ovalen Augen“ erinnert die Kommentatorin an die Masken besonders der flussabwärts wohnenden Lula.

Kerchache… p.594 Holo

Kerchache… p.592 Lulua

 

 

 

 

 

 

 

 

Kilengi p.225 no.136 Holo mvunzi Paar

 

An dem Figurenpaar Kilengi Abb. 136 (28 und 25 cm) betont man „den ausgeprägten Grat des Schlüsselbeins“ (Kilengi S.382). Die Gesichter sind herzförmig, die Augenpartien oval und konvex, die weibliche (naturalistischere ) Figur zeigt ‚Tränen’ und Nasenflügel, die weibliche Figur zeigt einen ‚geschlechtslosen’ Unterleib, wie die Hockerfigur.

 

 

 

Afrikanische Sitze“ ( Vitra/Tervuren/Prestel 1994) zeigt mehrere Karyatidenhocker der Tschokwe und/oder Pende, die deren Einfluss dokumentieren.

Afr.Sitze p.143 Kat.108 Tschokwe 22,5cm hoch

 

Afr.Sitze p.148 Kat.106 Tschokwe 24cm hoch

Afr.Sitze p.144 Kat. 107 Tschokwe:Pende 25cm

 

 

 

 

 

 

 

Vom stabilen Bau und der Ausstrahlung her passt am besten Hocker Kat.108. Er soll das ‚schöne Frauengesicht’ der Mwana-po-Maske haben. Wie bei dem manieristischen Hocker Kat. 106 sitzt die Figur in senkrechter Haltung, aber reckt das Kinn  nach vorn, ganz anders als die entspannten Figuren der Holo. Bei ihm auch Bohnenaugen im vertieften Augengrund unter umgedrehten Augenbrauenbögen, markante Nasenflügel konturierter geschlossener Mund.

Generell repräsentieren die in “Afrikanische Sitze” gezeigten Hocker der Chokwe und Pende aufgemotzte kleine Prestige-Objekte,  Herrschaftsinsignien (vgl. LINK zu Luba-Blog)neben dem Chef aufgestellt wurden. Die Häuptlinge selber nahmen auf figürlich dekorierten Stühlen (chairs) Platz. Die Sitzhöhe der abgebildeten Stühle  variiert zwischen 25cm (Objektfoto) und 50cm (Feldfoto, Gungu 1925).

Masterpieces no,44 Pende Caryatid

Der in  “Masterpieces from Central Africa” (Tervuren 1996)  no.44 abgebildete und p.159 kommentierte Karyatidenhocker der Pende ist zwar 50 cm hoch bei 28 cm Durchmesser, aber dennoch sehr speziell. Erworben 1937 durch einen Arzt und Sammler, der im Westen von Kasai arbeitete, ähnelt er dem Holo zwar in Kopfform und der Position der Hände (hier) hinter den Ohren („after the fashion of other Karyatids from Katundu“). Der gurkenförmige Rumpf wirkt exzentrisch als explizite Gestaltung weiblicher Fruchtbarkeit, samt quadratischer Öffnung der Vulva. Die zwei angefügten (?) männlichen Figürchen folgen dem „Pende style from the region of Kasai“,

Kurzum: ein exzentrischer Mix von Regionalstilen in gleichmäßiger heller Glanzpatina letztlich unbekannter Herkunft. Warum also kein ‘freies Kunstwerk’, keine Spezialanfertigung? Ich frage mich: Was verstanden die Experten von Tervuren Prestel 1996 eigentlich unter „Masterpiece“?

 

Cornet Zairian.. Holo 55.

A.Cornet: A Survey of Zairian Art (p.116/17) zeigt eine der berühmten Rahmenfiguren (nzambi) der Holo, die nach allgemeiner Auffassung von christlichen Kruzifix-Darstellungen inspiriert wurden. Formal interessant finde ich die Verbindung von Kanten und runder Körperlichkeit, die – weit weniger – auch am hocker zu beobachten ist.

Und er erwähnt im Nebensatz eine ikonoklastische religiöse Bewegung in den Dreißiger Jahren; die meisten Kult- und Zauberobjekte seien zerstört worden. Danach hätten die Holo sie wieder geschaffen (re-create). Was immer er damit sagen wollte, das war und ist in Zentralafrika ein sich regelmäßig wiederholender normaler Vorgang. Interessant vor allem für den Stilwandel.

 

 

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