Urs App Vortrag im Hochstift Frankfurt

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16.12.2010  – Urs App hat mich nicht enttĂ€uscht. Vor siebzehn Jahren in Frankfurt faszinierte mich bereits seine Methode, die so schlicht aussieht und so viel hartnĂ€ckiges Suchen und Fragen bedeutet.       

Er erzĂ€hlt Forschungsgeschichten und dabei entstehen Einsichten vor unserem geistigen Auge. Freilich nicht jede Art von Einsichten. Zum Beispiel wurden am Dienstag Informationen â€žĂŒber den Inhalt der Upanischaden“ vermisst und teilweise eingefordert. Gemeinsam ist solchen Erwartungen, dass sie grundsĂ€tzlich durch eigene LektĂŒre erfĂŒllt werden können. Urs App weist sogar auf Übersetzungen hin. Was wir aber daraus nicht gewinnen können und was darum auf jeden Fall Neuigkeiten sind, sind seine Erfahrungen auf dem Forschungsweg. Powerpoint-Projektionen zeigen Knoten, Stationen dieses Weges, andere machen uns mit Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des „Oupnek’hat“ bekannt, mit Lehrern und Lehren sowie deren Verbreitungsgebiet. Diese Stationen, diese Knoten wĂŒrden wir, wenn wir ĂŒberhaupt auf sie stoßen wĂŒrden, sicher nicht erkennen, sondern einfach fĂŒr TitelblĂ€tter, Textzitate, Fußnoten …. oder sonstige Einzelheiten halten.

P1320230App-Karte

Der Vortrag setzt damit in unseren Köpfen zwei Bewegung in Gang, die einander kreuzen:  eine geistesgeschichtliche Bewegung und die ihrer Entdeckung. Die zweite ist uns von eigenen Erfahrungen her vertraut: auch wir kennen die Freude, ZusammenhĂ€nge zu entdecken. Also vermag die Freude dieser Entdecker des „Oupnek’hat“ – Urs App, Julius Klapproth, Anquetil Duperron, Schopenhauer und Richard Wagner (eher durchwachsen) –  uns anzustecken.

App beginnt bei der eigenen Person: Wie hat er selbst das Buch entdeckt?  Da war die Hymne auf das „Oupnek’hat“ in Parerga & Paralipomena §184 und die Information, dass auch Richard Wagner dies Buch in Paris extra bestellt hat.

P1320217Oupnekhat  Eintragungen Schopenhauers

Da war Arthur HĂŒbschers BĂŒcherliste (Hdschr.Nachlass Bd 5, 338) – jedes Wort wird uns da erklĂ€rt, auch die Zeitangabe „nach 1816“.  Wir spĂŒren sein UngenĂŒgen, und nun will der Frankfurter Cerberos ihn damit abspeisen, als Konservator. Neugierde kennt er nicht. Erst ĂŒber Fernleihe in Göttingen erhĂ€lt App Kopien des Buches und muss „Kleinbild-Filme nachkaufen“, weil er jede zweite Seite fotografieren will. Begeisterung! Immerhin ist das Buch in Latein geschrieben und mit persischen Begriffen durchsetzt. Mich könnte das nicht entflammen. App sagt noch bei verschiedenen Gelegenheiten, wie interessant so eine dieser post-vedischen Schriften sei. Nun, die unglaubliche Variationsbreite unserer Spezialisierungen und GeschmĂ€cker  macht fĂŒr mich eigentlich die Faszination unserer gegenwĂ€rtigen Zivilisation aus.

NatĂŒrlich fasziniert mich auch, wie App mit seinem Fotoapparat ganz unbĂŒrokratisch zupackt. Seiten fotografiert. Auch ich habe seine Projektionen abfotografiert. Ohne das wĂŒrde ich doch in meinem Text   keine Einzelheiten mehr zusammenkriegen, Namen ohnehin nicht.

 

„1. Wann und wie lernte Schopenhauer sein Lieblingsbuch kennen?“

Was fĂŒr eine schöne Frage! Dabei so selbstverstĂ€ndlich.  Nicht „nach 1816“, wie HĂŒbscher vermutet, sondern zwischen 1814 und 16, als Schopenhauer seine „Willensmetaphysik“ entwickelte, eben weil „die Upanischaden, Plato und Kant ihre Strahlen zugleich in eines Menschen Geist werfen konnten.“ Das „Oupnek’hat“ lief ihm also als glĂŒcklicher Zufall ĂŒber den Weg? NatĂŒrlich erkannte sein mit diesen Fragen Tag und Nacht schwanger gehendes Gehirn den Wert dieses Buches. Er arbeitete es durch. Und „Memnons SĂ€ule klang“.  Welcher Mensch kennt nicht im Kleinen Ă€hnliche FĂŒgungen?

P1320225Strahlen zugleich

„Lieblingsbuch“– da spielt die Emotion mit! Schopenhauer:„Es ist der Trost meines Lebens gewesen und wird der meines Sterbens seyn.“ Im Anschluss an den Vortrag wird man darĂŒber diskutieren, was denn der Grund dafĂŒr sei. Die ErklĂ€rung Apps befriedigt nicht jeden Zuhörer. Ist es die Faszination des verhinderten Mystikers, ist es die unerwartete BestĂ€tigung fĂŒr eigene Überzeugungen aus fernen Gefilden, ist es gar die geheime Beziehung eines Plagiators zur Quelle seiner Weisheit? Nein, wir dĂŒrfen auf der Projektionswand lesen, wie Schopenhauer „Maja“ umdeutet und einbaut…

Ist es Begeisterung?  Mein Klapproth war ein pensionierter Zeichenlehrer, der frĂŒher einmal chinesische Lebens- und Denkungsart aufgesogen hatte oder was er bei seinem Pekinger Aufenthalt 1936 dafĂŒr hielt. (NĂ€heres im Katalogbuch „Bilder vom GlĂŒck“, Museum der Weltkulturen Frankfurt, 2002)

2. Was ist das fĂŒr ein Buch?

 

3. Was fĂŒr eine Rolle spielte es im europĂ€ischen Geistesleben?

Urs App teilt uns seine Entdeckungen ĂŒber die Entdeckung des jungen Schopenhauer 1814 mit. Erst habe ich ein wenig den Eindruck von  historischen Anekdoten ohne tieferen Sinn. Aber unbemerkt wandelt sich dies GefĂŒhl. Es erscheinen im Umriss: Indomanie: „Alles begann in Indien“, die Ă€ußerst vermittelten  Übersetzungen von Sanskrit-Texten mit dem Ruch der Geheimlehre (Freimaurer-Klima und Mesmerismus-Zirkel), Schopenhauers Misstrauen gegenĂŒber den ersten direkten Übersetzungen. Dann geografische Umrisse, Individuen sozusagen mit Passbild, das Team des indischen FĂŒrsten Sirr-i-Akbar. Das Buch „Oupnek’hat“ wird kartiert (zwischen Neuplatonismus und Buddhismus), auseinandergenommen, ja filetiert: Weg und Entwicklungsstufen, ArbeitsgĂ€nge und VerĂ€nderung der Textanteile zwischen 1657 und 1802 hĂ€ngen sĂ€uberlich nebeneinander auf der ProjektionsflĂ€che, durch Pfeile verbunden.

Wir sind eingeladen uns anzuschließen, und zwar nicht irgendwelchen Spekulationen, sondern dem Prozess der Fragen und Antworten. Sogar der Narr – der mit den berĂŒchtigten Fragen? – ist eingeladen, mitzumischen, doch so nĂ€rrisch ist er auch wieder nicht.

 

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