Im ARTE 3.3.2019 Nachtprogramm :Â CONGO – GORILLASCHUTZ MIT KETTENSĂGEÂ Â Â 55′ WDR/ARTE
âCongo â Gorillaschutz mit der KettensĂ€geâ. Ich wartete ein paar Tage, bevor ich mich fĂŒr das erwartete Schmierentheater stark genug fĂŒhlte, dann tat es gar nicht weh.
Das einstĂŒndige Feature portrĂ€tiert die Tropenholzkonzession IFO im Norden von Congo-Brazzaville an der Grenze zu Kamerun, auf einer weiten Waldsavanne mit wertvollen alten BĂ€umen, einer dichten Population von Flachlandgorillas ohne Revierfixierung und ein paar tausend herumziehenden PygmĂ€en. Der neben dem modernen SĂ€gewerk entstandene prosperierende Ort NgombĂ© am Sangha-Fluss ist selbst mit Google maps nicht gleich zu finden, doch fĂŒr ein paar tausend Menschen mit Schulen, SanitĂ€tsstation, zwei FuĂballmannschaften und bescheidenem Wohlstand eine attraktive Kleinstadt mitten im Nirgendwo.
Man tut dem Feature nicht unrecht, wenn man es als ruhigen und angenehmen Werbefilm fĂŒr das Konzept und die Organisationskraft von IFO, âeiner hundertprozentigen Tochter des deutschschweizerischen Holzkonzerns Danzerâ bezeichnet, die sich auf teure Edelhölzer spezialisiert hat, sich von einem „Wildlife…“-Fund und durch FSC zertifizieren lieĂ und âzeigen will, dass Holzeinschlag auch anders gehtâ. Immer wieder werden die vorbildliche Gesetzgebung der ‚Republik Kongo‘ und die positive Ausstrahlung des Unternehmens auf andere, auch asiatische Akteure im nördlichen Kongobecken angesprochen, wenn auch nicht konkretisiert. Die Autoren wollen ihrem Publikum schlieĂlich Hoffnung machen.
Das vorgefĂŒhrte FlĂ€chenmanagement der bewirtschafteten Waldgebiete ist geradezu atemberaubend. Der âwissenschaftlich fundierteâ auf dreiĂig Jahre berechnete Managementplanâ weist dreiĂig Einschlagszonen auf, von denen rotierend jĂ€hrlich nur eine âgeerntetâ wird, und zwar gezielt. â Ich kann mir einen solchen Zeithorizont gar nicht mehr vorstellen, angesichts von rasanten Umstrukturierungen und EigentĂŒmerwechseln, wie sie inzwischen in der Wirtschaft ĂŒblich sind. – Es kommt noch besser: âWir fĂŒhren in der jĂ€hrlichen Einschlagszone eine hundertprozentige Inventur durch,â aller irgendwann nutzbaren BĂ€ume, die im Wald ermittelt, eindeutig markiert und fĂŒr die Zukunft in digitale Karten eingezeichnet werden. Auch fĂŒr die PygmĂ€en wichtige und nĂŒtzliche BĂ€ume werden mit ihnen zusammen vom Sozialdienst ausgesucht und eigens markiert. SelbstverstĂ€ndlich wird die Arbeit mit der KettensĂ€ge zu chirurgischer PrĂ€zision gesteigert und die Piste fĂŒr den Abtransport optimiert.
Nur an einer Stelle wird kurz die GesamtflĂ€che der Holzkonzession genannt. Die Umrechnung der âeinen Million Hektarâ ergibt freilich bloĂ zehntausend Quadratkilometer, eine FlĂ€che, die etwa dem Flusstal der Enklave Gambia des westafrikanischen Senegal entspricht oder eben drei Prozent des Staatsgebiets der ‚Republik Kongo‘.
Was den Schutz der Flachlandgorillas angeht â âdie HĂ€lfte des Restbestandes lebt auf dem Konzessionsgebietâ â kommen den Interessen der âKettensĂ€ge‘ zwei UmstĂ€nde entgegen: die Tiere kennen keine Reviere und mögen bestimmte FrĂŒchte, die unter nachwachsenden Pionierpflanzen des ‚geernteten‘ PrimĂ€rwaldes gedeihen.
Ein ganz anderes Problem ist die Wilderei. Einer wachsenden Bevölkerung in NgombĂ© ist das importierte Rindfleisch viel zu teuer und abwechslungsreiches bush meat aus den WĂ€ldern von IFO sehr viel lieber. Also wirken insgesamt fĂŒnfzehn trainierte und bewaffnete Ranger an vier allseits bekannten Kontrollpunkten, aber auch auf Schleichwegen oder auf dem stĂ€dtischen Markt als verhasste Friedensstörer und âDiebeâ. Als sich eine alte VerkĂ€uferin verzweifelt an ihre âzur Schonzeit gejagteâ Kleingazelle klammert, schlĂ€gt die Stimmung um und wĂŒtender Tumult bricht los zwischen den Tischen. Die Szene wird mit einem mal sehr hĂ€sslich. Am Abend sehen wir die Ranger ein paar âbeschlagnahmteâ Kleintiere in die Flammen einer primitiven Holzkohleproduktion werfen. Die hungrigen Köhlerjungs protestieren, aber es gelingt ihnen auch, sich ihre Beute zu sichern und jubelnd davonzurennen….
Der Film hört in dem gleichen ruhig beschwörenden Ton auf, in dem er begonnen hatte.
Die entscheidende Information erscheint im allerletzten Augenblick des Abspanns:
Das Herstellungsjahr ist â2011â!
NUN BRICHT SICH EINE FLUT VON INFORMATIONENÂ BAHN!
Also deshalb ist gar nichts vom in der Republik grassierenden BĂŒrgerkrieg zu hören! Von Milizen, dramatischen Vertreibungen und gesperrten Territorien! ( z. B. LINK zur TAZ, Berlin vom 30.6.2017 ) Von wegen: âErst tausend Kilometer sĂŒdlich in der Demokratischen Republik Kongoâ gebe es Unruhen. Die ganze Region ist seit Jahren im Aufruhr.
Was den Schutz der TropenwĂ€lder betrifft, zeigte das ARD gerade erst am 4. Februar 2019 unter dem Titel âDie Ausbeutung der UrwĂ€lderâ, wie wenig von dem auch von der Bundesregierung unterstĂŒtzten Umweltschutzsiegel âFSCâ zu erwarten ist. (LINK zu Das Erste – Reportagen funktioniert Febr.2022nicht mehr)
In den letzten Wochen geriet auch der Wildtierschutz Ă la WWF wieder einmal in die Schlagzeilen. â Zu Tode geprĂŒgelt wegen eines Nashorns â der WWF hat ein Problem. Wenn es um den Tierschutz geht, muss der Menschenschutz anscheinend manchmal zurĂŒcktreten. Der WWF steht im Verdacht, Misshandlungen und Mord zu decken oder sogar zu fördern.  Andres Wysling in der Neuen ZĂŒrcher Zeitung am 6.3.2019
Auch zum „Danzer Konzern“ gibt es entsprechende Anklagen. (CorA-Forum LINK zu pdf): „Beihilfe zu staatlichen Gewaltexzessen?“ Wenn man âDanzer Konzernâ googelt, dann kommen die VorwĂŒrfe knĂŒppeldick und in ĂŒber zehn Jahren unwidersprochen: Vom âSystem der Reutlinger Familie Danzer mit Firmensitz in der Steueroase Zug/Schweizâ und seinen SchachzĂŒgen ist die Rede (z.B. netzwerk-regenbogen 2006) von Gewinnverschiebungen, Steuerhinterziehung und Korruption in den Staaten des Kongobeckens.
Interessante Firmeninformationen finden sich auch unwidersprochen bei Wikipedia („Danzer Group“ LINK). Seit 2006 ist der Familienkonzern im Visier von Greenpeace, zeitweise bekam er sogar das âFSCâ-Siegel aberkannt. 2015 wurde der Firmensitz âaus steuerlichen und wirtschaftlichen GrĂŒndenâ nach Ăsterreich verlegt.
Das StĂ€dtchen NgombĂ© und die dortige Produktion existieren 2019 immer noch. Eine Webseite labdoo.org beklagt das Fehlen von Stromgeneratoren in den Schulen („2000 SchĂŒler, 3 LehrkrĂ€fte“??) und sammelt Geld fĂŒr Computer, damit auch SchĂŒler aus Ngombe sich fĂŒr die modernen Jobs bei IFO qualifizieren können. (LINK)